[Radde, Grundzüge der Pflanzenverbreitung in den Kaukasusländern] Kapitel 2 Abs. III.
Zweites Kapitel : Das kolchische Gebiet und sein Anschluss gegen Nordwesten an Taurien (Batum Nowo-Rossiisk).
III. Das Tschorochthal und Batum.
Charakter der Vegetation im Herbst S. 110. Charakter der Vegetation im Frühling und vergleichende phänologische Beobachtungen S. 111. Vegetation am Mittellauf des Tschoroch S. 119. Die Flora von Artwin, von 1801830 m, in ihren verschiedenen Abstufungen S. 120. Pinus Pinea und Arbutus Andrachne unterhalb Artwin als östlichster Vorposten der typischen mediterranen Formation S. 126. Entwaldung S. 127. Frühlingsflora an der Küste von Batum S. 128. Rhododendron und Kirschlorbeer zur Blütezeit S. 128. Die Farnkräuter, Moose, Flechten und Pilze S. 130. Änderungen der ursprünglichen Vegetation der Küstenzone durch die Kultur S. 134. Schlussfolgerungen S. 135.
Charakter der Vegetation im Herbst. Die unvergleichlichen landschaftlichen Reize, welche das Panorama im SO.-Winkel des Schwarzen Meeres bei klarem Himmel darbietet, gehen im November verloren. Nur selten kann um diese Zeit das Auge des Beschauers den hochgelegenen fernen Konturen von N. nach O. folgen. Schon Ende August deckt frischer Schnee die suanischen Hochalpen, sie leuchten dann weithin, ihr Glanz spottet der Entfernung, die sich in der Luftlinie für Batum auf 160200 km beläuft. Jetzt liegen sie meistens in schwere Nebel gehüllt. Aber auch viel näher, unmittelbar südlich landeinwärts, verschwinden die Höhenlinien des Gebirges tage-, ja wochenlang. Die geschlossenen Laubholzwälder, welche die Vorketten dieses pontischen Ufergebirges bedecken, prangen während des lange anhaltenden Herbstes im buntesten Farbenschmuck. Jetzt wird der Wald mit jedem Tage lichter, trüber Himmel dehnt sich allseitig und die Regengüsse fallen anhaltender. Entblättert stehen die Riesen der Rotbuchen da, nur an den Eichen haftet noch das gebräunte Laub und die hellgelben und roten Blätter der Ahornarten flattern zu Boden. Wo ihnen zu Füßen die Rubus-dschungel das Terrain sich nicht eroberte, wird der Wald auch im Busch- und Stangenholz mit jedem Tage klarer. Das immergrüne Gesträuch kommt immer mehr zur Geltung. Die Farbentöne seines Laubes dunkelten merklich. Kirschlorbeer und Rhod. ponticum stehen in scharf umrandeten hohen Gruppen; niedriger und isolierter blieb Ilex und die starren, kugligen Ruscus-zwerge (R. aculeatus) überragen die braunen Laublager am Boden nur wenig. Bald entlaubt sich das engmaschige Smilaxgewebe, welches hoch bis in die Kronen alter Buchen und Eichen kletterte, und der kolchische Epheu verdeckt mit seinen großen, lederdicken Blättern die Stämme, in deren Rinde sich die Wurzeln tief versenkten. Unter der Wucht anhaltender Regengüsse knickten die 89 Fuß hohen Adlerfarne zusammen; noch sind sie grün, bald legen [p.111:] sie sich am Abhänge übereinander ganz zu Boden und die darüber von oben her strömenden Wasser geben allen den zartgebauten Wedeln dieselbe Richtung, als ob ein Kamm sie geordnet hätte; zimmetbraun sind sie geworden, durchnässt und fester geschichtet bedecken sie auch im Winter ausschließlich das von -ihnen beherrschte Gebiet. Auch an den dauerhaften Fruchtständen von Clematis Vitalba übte der Regen seine zerstörende Macht. Wo noch vor kurzem die dicht geschlossenen Guirlanden dieser Waldrebe den Hochbusch bedeckten und überall die beschopften Samenbüschel aus dem Blattwerk silbernschimmernd hervorschauten, sieht man jetzt diese Karniese zerstört und die Fruchtköpfe unordentlich verwaschen.
Vorbereitet für die nächste Florensaison ist am Boden schon manches. Überall die frischgrünen, ledrigen, fußförmig zerteilten Blätter vom kaukasischen Helleborus, in ihrer Mitte den jungen Blütenstand in Knospen. An Cyclamen coum sind die Blumenknospen noch eingerollt und die Rosetten von Primula acaulis heben beim frischen Triebe die dünne, leichte Schicht des unlängst gefallenen Laubes empor. Auch Scilla cernua macht sich bemerkbar und auf der Unterseite der Phyllocladien von Ruscus aculeatus schwollen die sitzenden Blütenknospen stark an. In unregelmäßigen Haufen streben entlang den Rändern der Sümpfe und im nassen Wiesengrunde die dunklen, schmalen Blätter von Leucoium aestivum dicht gedrängt hervor. In normalen Jahren kommen die genannten Pflanzen als erste Frühlingsboten schon im Dezember zur Blüte und außerhalb des Waldes gesellt sich ihnen mancherlei Anderes hinzu, so Veronica agrestis, V. arvensis, Erodium cicutarium.
Charakter der Vegetation im Frühling und vergleichende phänologische Beobachtungen. So die Regel, allein es kommen abnorme Jahre vor, in denen der Frühling reichlich 46 Wochen verspätet, obwohl die mittlere Monatstemperatur im Januar fast + 6 ° C, im Februar 7 ° C. beträgt, freilich aber auch ausnahmsweise fast 8° Frost als Minimum beobachtet wurde. Das Jahr 1893, auf welches sich die nachfolgenden Schilderungen beziehen, gehörte zu den sehr verspäteten. Ungeachtet der günstigen Lage Batums und dem Temperaturmittel von fast 12° für den Monat April bei Überfluss an Nässe sah es dort zu Anfang des Monats noch recht winterlich aus. Namentlich stand der Hochwald, dem die Coniferen in der Uferzone fehlen, noch winterkahl da. Dazu trägt wesentlich die Nähe des Meeres mit seinen kalten Nebeln bei. Die Bedingungen zur Entwicklung der Frühlingsflora sind tiefer landeinwärts, selbst in bedeutenden Höhen über dem Meere, günstiger als hier unten in seinem Niveau. So fand ich auch 1893, als ich Anfangs April meine Arbeiten in Batum begann, hier die Flora kaum weiter vorgeschritten als in dem 780 m (2600 r. F.) hoch gelegenen Borshom, welcher Ort schon jenseits des Meskischen Gebirges an der oberen Kura gelegen ist. Die folgenden Notizen geben darüber Auskunft.
[p.112:] Borshom 780 m (2600 r. F.). Neuer Stil.
April 4. Salix babylonica, schon licht grün, bis '/z Zoll Blattlänge.
April 5. bis 18. Euphorbia biglandulosa Desf. E. rigida M. B. stark Knospen, Veronica telephiifolia Vahl. ebenfalls,
Silene saxatilis Sims., Grundblätter treiben stark, Astragalus flaccidus M. B. desgl., Galanthus plicatus M. B. Cyclamen conm Mill., Prinrala acaulis Jacq., Corydalis angustifolia DC., Lathraea squamaria L. Thlaspi latifolium M. B., Grundblätter. Auf den Waldwiesen sind dieGrnnd-blätter ausdauernder Stauden im Triebe, so Salvia verticillata, Ranunculus polyanthemus, Geranium, Leontodon, Rumex, Marrubium, Anthriscus sylvestris noch geschlossene Blattfläche. An Philadelphus, Hippophae, Rosa, Evonymus, Carpinus, Ligustrnm brechen vom 5. bis 18. April die Knospen auf und das Laub erreicht ¼ bis 1/2 der Größe. In der Nacht zum 18. April fiel ½ Fuß hoch Schnee.
Die genauen phänologischen Beobachtungen, welche in eben dieser Zeit in Tiflis im botanischen Garten notiert wurden, lassen ebenfalls die Vorzüge der Florenentwicklung im Innern des Landes bei 460 m (1500 r. F.) Meereshöhe Batum gegenüber erkennen, wobei indessen erwähnt werden muss, dass die Lage dort die denkbar günstigste ist, nämlich vollständiger Schutz gegen Norden und offene Exposition gegen Süden. In eben diesem Jahre verspätete sich auch für Tiflis der Frühling, gewöhnlich blühen Mitte April (15./27.) die weißen Akazien und Syringa.
Einige Beispiele mögen das oben Gesagte bestätigen. Es blühten bei Tiflis:
April 14. Allium paradoxum M. B.
» » Zelkowa crenata (Desf.) Spach
» 20. Vinca minor L.
» 21. Ajuga orientalis L.
» 23. Chelidonium majus L.
» » Nepeta Mussini Henk.
» 26. Paeonia corallina Rtz.
» 28. Staphylea pinnata L.
Auf dem Wege nach Batum wurde oberhalb des kolchischen Tieflandes, also entfernter vom Meere, am 18. April beobachtet:
Sambucus Ebulus durchbricht mit den starken Trieben den Lehmboden. An Carpinus Betulus und Morus alba hat das Laub ¾ seiner Normalgröße erreicht, ebenso an den Pyramidenpappeln; an den Trauerweiden sind die Blätter fast ausgewachsen. Die Wintersaaten (Gerste) ½ Fuß hoch, die Kohlpflanzen vom vorigen Jahre schießen in Samen.
Batum (die Beobachtungen und Sammlungen beginnen dort schon mit dem 5. April).
April 5. Veronica filiformis Smith, erste Blüten.
7. Cardamine tenera Gml. blüht und in Samen. Taraxacum officinale (With.) Wigg., erste Blüte.
April 7. Ulex europaeus L., Ajnga reptans L., Fragaria collina Ehrh., Prunus divaricata Ledeb., Viola alba Bess., tricolor L. ß. arvensis,
[p.113:] desgl.
April 7 Bellis perennis L., Scrophularia chrysantha J.et Sp., Glechoma hederaceum L., Euphorbia stricta L.,
12. Veronica arvensis L., verna, agrestis L. blühen. Geranium molle L., dissectum desgl. Leucoium aestivum L. Ranunculus repens L. Cerastium viscosum L. Lathyrus vernus (L.) Bernh. desgl. Dentaria quinquefolia M. B. desgl. Tussilago Farfara L. Samen. Carpinus Betulus L., die größten Blätter sind nur 1 Zoll lang.
19. Feigen noch winterkahl, an Catalpa bignonioides Walt, schwellen die Knospen. Rhododendron ponticum und flavum erste Blumen in geschützten Thälern und Schluchten; bei offener Lage zum Meere noch nicht. Morus alba sehr zurück, Blattknospen erst gesprengt.
19. Pfirsiche und Kirschen blühen, ebenso Birnenbäume. Philadelphus, Crataegus, Wildrosen und im Garten Spiraea Douglasii haben die Blätter zur Hälfte der natürlichen Größe entwickelt.
19. Platanus orientalis, Blattknospen gesprengt, einzelne Blättchen 2 Zoll lang. Eriobotrya japonica treibt stark die Blattknospen.
Paulownia, Blütenknospen stark geschwollen.
20. Trifolium repens L. beginnt zu blühen. Poa annna L. desgl. Thlaspi arvense L., Samen und blühend. Valerianella olitoria Mönch. Ranunculus muricatus L. Stellaria media L. Cyclamen coum Mill. noch blühend. Lamium album L. Ornithopus compressus L. Oxalis corniculata L. Veronica serpyllifolia L. Muscari racemosum L. Luzula Forsten DC. Pirus communis. Alle diese blühen, die Äpfelbäume erst beginnend.
24. Ornithogalum umbellatum L. blüht. Galanthus nivalis L., ausgewachsene Kapseln. Sherardia arvensis L. Lithospermum arvense L. Valerianella turgida Stev. Trifolium. snbterranenm L. blühen. Fagus sylvatica blüht, Blätter zolllang.
Erst Ende April (29.) machte die Vegetation auch in der Uferzone sehr rasche Fortschritte. Die Temperaturen fielen nachts nicht unter 13°, stiegen tags bis auf 20° im Schatten und 24° in der Sonne. Winterlich kahl blieben nur noch Albizzia, Zizyphus und alte, überstandene Akazien. Ailanthus und Feigen hatten die Blattknospen gesprengt, an den Wallnussbäumen erreichte das junge Laub im Verlaufe von 48 Stunden 1/5 seiner normalen Größe. Birnen und Süßkirschen hatten abgeblüht, Pfirsiche und Prunus divaricata trugen volles Laub und erbsengroße Fruchtansätze. Platanen und Pyramidenpappeln haben 23 cm lange Blätter. In den Gärten blühen Deutzia, Iris germanica und die Sauerkirschen.
Die schmale Ebene, welche sich zwischen dem Meere und Gebirge von Betum bis zum Tschoroch hinzieht, ist zum Teil sumpfig, zum Teil aufgeschwemmter, schlickiger Lehmboden, mehr oder weniger sandig. Dort an den Stmpfrändern baute sich das Rubus-Dickicht niedrig auf, hier auf dem Schwemmboden verlieh blühende Euphorbia stricta den Flächen in Fußhöhe ein intensives hochgelbes Kolorit, aus ihm ragten vielerorts die hohen vorjährigen Maisstoppeln hervor, die anhaltenden Regen während des Winters [p.114:] hatten sie mürbe gemacht und gebleicht, grau standen sie in Meterhöhe auf den Feldern. Mit dem Eintritt in das enge Tschorochthal wird man überrascht. Die Vegetation hat sich hier unter dem Schutze der beiderseitigen hohen Thalwände viel zeitiger und üppiger entwickelt, als am offenen Meeresufer. Der Wald stand im brillanten Frühlingskleide. In sanft gerundeten Umrissen hoben sich die Kronen der Laubhölzer von einander ab. Die Ost-und Westgehänge waren durchaus gleichartig entwickelt, was leicht erklärlich, da das Thal ganz enge ist. Nirgends ein Zapfenbaum. Was man aus weiterer Ferne dafür halten könnte, weil es sich oft pyramidal und dunkelgrün hervorhebt, ist ein von kolchischem Epheu dicht umsponnener Stamm, dessen Geäste im Verlaufe der Zeit zusammenbrach. Auch baut unter bestimmten Bedingungen Smilax spitzkegelig zulaufende Pyramiden auf, die in der Fernsicht einem Nadelholze täuschend ähnlich erscheinen. Das geschieht nämlich da, wo auf urbar gemachten Lichtungen Smilax-Dickichte durch Feuer im weiteren Umkreise vernichtet wurden und nur zu Füßen vereinzelt stehender Bäume sich erhielten. Hier wuchern sie ungestört mit breiterer Basis vom Boden, jeder seitlichen Stütze beraubt, alle nach oben und so bildet sich im Ganzen die spitze Zeltform heraus. Eben diese Smilax-Zelte schimmerten jetzt in Braungrün, ihr spärliches Blattwerk hatte etwa 1/3 der normalen Länge erreicht.
Das derbere Laub der vorherrschenden Hainbuche, fast ganz ausgewachsen, verlieh dem landschaftlichen Bilde durch sein lichtgrünes Kolorit Frische und Freudigkeit. An den Eichen, zumal den jungen, kräftigen, hingen die schmalen Blütenkätzchen abwärts und das Blatt hatte schon die Hälfte seiner Normalgröße erreicht. Aber wo der knorrige Stammgreis, altersschwach und kernfaul, sein Leben spärlich fristete und der Saft nur dürftig ins Geäste gestiegen war, da verbreiteten sich erst leichte kupferrote Farbentöne auf den geplatzten Knospen, deren zusammengefaltete Blättchen die Sonnenwärme auffingen. Selten nur machte sich eine Esche, eine Linde bemerkbar und noch viel seltener gab es einen Ahorn (Acer campestre, A. lastum.) Im Unterholz trug Corylus schon das volle Laub, der Weißdorn (Crataegus) tritt in dieser tiefen Zone der Zahl nach zurück. Dagegen waren die immergrünen Gesträuche sehr verbreitet. Zwar wird man die jetzt prachtvoll blühende pon-tische Alpenrose hier nicht in weithin zusammenhängenden Beständen, wie das in der unmittelbaren Uferzone der Fall ist, sehen, aber sie sowohl als auch Rhododendron flavum (Azalea pontica) sind sporadisch überall eingesprengt, bald in großen Gruppen, seltner in -vereinzelten Individuen. Wo der lichter bestandene Abhang der Sonne ungestörte Einblicke gestattet und die Schatten der Buchen den Boden nicht treffen, da prangt jetzt das Rhododendron-Gebüsch, hochgelb, bedeckt mit süßlich duftenden, aber betäubenden Blumen, von denen 2030 je zu einer Kopfgruppe vereinigt sind. Üppig schießt überall der Adlerfarn aus den alten, zählebigen Wurzelsträngen hervor. Schon hat er 12 Fuß Höhe erreicht, noch bewahren die an den Spitzen eingerollten Wedel eine gewisse Grazie und man sieht ihnen die [p.115:] wuchernde Unverschämtheit ihres raschen Wuchses nicht an. In der Zeit von 23 Wochen werden sie übermannshoch sein und auf dem selbstbeschatteten Boden die Herrschaft despotisch üben. Nur das stark bewaffnete, hinkriechende Smilax-Gewebe, das Haupthindernis für den Wanderer, erzwingt sich auch auf solchen Plätzen unaufhaltsam die Wege, um bei erster Gelegenheit da, wo der Rand der Lichtung Stammholz bietet, emsig zu klettern und zu krallen, seine Netze zu werfen, hoch bis in die Kronen, breit von Baum zu Baum, ohne zu schnüren, wohl aber mit mächtigem Druck die geduldigen Träger zu quälen und ihnen die Freude am Leben und die Kraft der Entwicklung nach und nach zu brechen. Anders die beiden Epheuarten. Hier kann man sie als solche durch die Natur selbst strenge von einander gehaltene Formen gut beobachten. Was Hedera colchica vollbringt, ist dem gewöhnlichen Epheu unmöglich. Jener legt sich aufs Innigste mit den zahllosen Wurzeln an sein Opfer und klettert hoch hinauf bis in die Spitze; seine großen, lederdicken Blätter, gerundet, Handflächengröße erreichend, obenher trauergrünschwarz, verhüllen den oft schon abgestorbenen Träger total. Breiter legt sich seitwärts diese dichte Blattfülle aus, oft zu 812 Fuß im Durchmesser anschwellend, dann wieder schmäler werdend, eingeschnürt, sich abermals erweiternd und nach außen hin die mattgrüne Blütendolde, oder später die schwarzen Beeren hervortreibend. Das Ganze ist starr, massig, kalt und trist in der Färbung. Nicht tief kann die Hand von außen her in diese abgerundeten Epheuknäuel dringen, das Geäste baut sich im Innern so dicht auf und ist derart gegenseitig verwurzelt, dass da nur Messer und Beil Licht schaffen können. Die Lebensfähigkeit und das Vermögen, sich an die widersprechendsten äußeren Bedingungen zu gewöhnen, sind bei dieser Epheuart ganz exceptionell. Wer sollte es glauben, dass dieselbe Art, welche im nassen Kolchis die Leiber der Riesenleichen verrotteter Bäume im Sumpfe des unteren Phasis total bekleidet, auch als Unterlage den trocknen Trachyt-felsen bei der brennenden Sommersonne in Tiflis nicht verschmäht und ihn im Verlaufe von wenigen Jahren derart hoch überpolstert, dass man gar nichts vom Stein sieht. Freilich wurde er dazu, weil angepflanzt, durch die Verhältnisse gezwungen. Wo unbeeinflusst, da sucht dieser Epheu mit Vorliebe den Hochstamm zum Klettern, sein Haupttrieb erreicht bis Schenkeldicke. Was ich hier vom gewöhnlichen Epheu, in seiner 35 spitzigen, weißgeaderten Blattform sah, war bescheidene Bodenpflanze und hatte mit seinen spärlich beblätterten Trieben gerne Felsköpfe besponnen.
Nur langsam können die rasch ansteigenden Höhen an begünstigten Stellen erklettert werden. Jeder Schritt wird behindert, denn überall treten ihm die verworren durcheinander gewebten Smilax-Netze entgegen. Zähe, wenn auch nur federkieldick in den Fäden, parieren diese Maschen den kräftigsten Fußtritt und fassen begierig mit den scharfen, kantigen Stumpfdornen das Kleid des Wandernden.
Die Umschau in der nächsten Umgebung, soweit sie das hochstrauchende Unterholz gestattet, führt dem Auge sofort die charakteristischen Formen von [p.116:] Buxus und Ilex vor, beide blühen und bilden im immergrünen Busch kleinere kompakte Gruppen. Kirschlorbeer und die hier erst 1874 entdeckte Phillyrea Vilmoriniana = Ph. Medwedewi streben höher und sind bisweilen baumartig. Letztere mit elegant breitlanzettlicher Blattform würde für die Gartenkultur sehr zu empfehlen sein, auch sie trägt jetzt die sitzenden weißen Blüten enge zusammengedrängt, quirlständig in den Blattachseln.
Hier und da hebt sich als besonderer Schmuck ein hoher Staphylea-Strauch (S. pinnata und auch S. colchica) aus dem Hellgün der umstehenden jungen Hainbuchen hervor. Seine schweren, weißen Blütentrauben hängen abwärts und geben, jetzt gesammelt und mariniert, einen bei den Eingeborenen sehr beliebten Salat Dshandsholi genannt. Wir haben es hier mit St. pinnata, nicht mit der zarten Art St. colchica zu thun, die aber an anderen Stellen ebenfalls vorkommt. Breitblättriger Evonymus bildet weiterhin Gruppen, ihm zu Füßen der pontische Seidelbast, Daphne pontica, in voller Blüte. An dem gewöhnlichen Hollunder (Sambucus nigra) haben sich die Blütenstände schon so weit entwickelt, dass sie in wenigen Tagen sich erschließen werden, und von der zweiten, namentlich den Wegen entlang alles überwuchernden Art, S. Ebulus, schössen die jungen Triebe bereits zu 2 Fuß Höhe heran.
So lange wir um diese Zeit auf den mit Erde reichlich bedeckten Abhängen bleiben, bieten die Details der Bodenflora nur wenige, aber liebliche Formen. Unter dem Schütze der Gebüsche leben violett blühende Lathyri (L. vernus und L. hirsutus) und versteckter hat gegenwärtig Anchusa myosotiflora die helltürkisblauen Blumen geöffnet, in Form und Farbe an Vergiss-meinnicht erinnernd, aber dreimal so groß. Ab und zu noch eine verspätete Primula acaulis (beta) rosea, ab und zu die saftreichen, behaarten Triebe von Cynoglossum pictum, oder enge gedrängt Helleborus-Gruppen, welche die sternförmigen Kapseln aus dem steifen gefingerten Blattwerk hervorheben. Selbständig wie diese und gleich ihr durch dicke, ausdauernde Wurzelstöcke gesichert, behauptet auch Iris lazica, eine neue Species [Anm.: Neuerdings von Lipsky als Iris cretensis Janka (beta) latifolia Lipsky bezeichnet.], ihre Standorte und durchbrach mit den großen, dunkelblauen Kronen das lichte Smilax-Netz, welches über sie fortkroch. Vereinzelt sieht man Senecio vernalis, hoch schoss Doronicum caucasicum hervor und zwei Euphorbien (E. amygdaloides und E. aspera) bevorzugen solche Plätze. Wo die Waldung in engerer Seitenschlucht bei höherer Lage Vollschatten bildet, siedelten sich Sanicula europaea, Dentaria, jetzt verblüht, Thlaspi latifolium, samenreif, an. Calystegia sylvatica klettert im Jungholz und bei besserer Beleuchtung gedeihen Aristolochia pontica und Lamium Galeobdolon.
Erst wenn wir den Wald verlassen und uns den entblößten Felswänden zuwenden, welche die ganze Fülle der Sonnenstrahlen auffangen, gestaltet sich die Frühlingsflora andersartig. Lockere, hellgrüne Polster von Veronica peduncularis bedecken die Stufen des dunkeln Doleritgesteines; in voller Pracht ruhen diese zierlichen Kissen auf dem Felsen, wenn sich auf ihnen die [p.117:] ungezählten großen, milchblauen Blumen erschlossen und gleichsam ein leichtes Gewebe über die gesamte Oberfläche warfen. Aus den Spalten in den Ecken drängen sich niedrige Sedumarten mit ihren dichtgestellten, steifen Grundrosetten hervor, eine Art von Rasen bildend, welcher jetzt rotbraun und hellgrün schimmert. Hier und da schlanke Stellaria Holostea, an feuchteren Stellen das behaarte Cerastium viscosum. Auch Anagallis arvensis (beta) phoenicea und Oxalis corniculata siedelten sich an. An anderen Stellen drängte sich aus den Spalten Galium aureum und Lotus angustifolius, sie legten ihr Geäste auf das Gestein. Von den Farnen fürchten Pteris cretica und Ceterach officinarum solche sonnige Plätze nicht, ja sogar Glechoma hederaceum, Mycsbtis sylvatica, Fragaria collina und die liebliche Omphalodes cappadocica fanden passende Standorte im Felsenreiche, obgleich ihnen der höher gelegene, benarbte Abhang besser behagt. Schon haben die stattliche Silene compacta und das weit verbreitete Melandryum pratense ihre Kronen erschlossen und auch Silene saxatilis schob aus den dunkelgrünen Grundblättern den Blütenschaft hervor, dessen Spitze noch weich, nachlässig abwärts hängt. Vergebens suchte ich an den trockenen Felspartien nach den Frühlingscruciferen, den vers:hiedenen Alyssumarten, welche anderweitig auch für die rupestre Frülilingsflora so bezeichnend sind. Nur die grauen, rauhen Grundblätter von Farsetia clypeata ließen sich erkennen. An manchen Stellen trat knorriges Astverk der Feige aus den tieferen Spalten und legte sich in bizarren Formen über die zerborstenen Felswände. Sie trugen ihr Blatt jetzt noch kun gestielt, kaum 3 Zoll lang. Auch die beiden Hypericumarten (H. ramo-sissimum und H. Androsaemum), welche Zwerggebüsch bilden, wurden bemerkt. Im Gegensatz zu der eben geschilderten Flora befindet sich die der schattigsten Engschluchten, in denen auch im Sommer das Wasser nicht fehlt. Einer solchen wenden wir uns zu. Sie liegt nicht weit abwärts von der Mürdung des östlichen Hauptzuflusses vom Tschoroch (Adshari-tskali). . In ihr stünt aus 60 m Höhe ein stattlicher Wasserfall thalwärts. Er schlägt auf eine untere Felsenterrasse und verstäubt dabei allseitig. Der Platz ist malerisch. Das Gestein bietet hier die deutlich ausgebildeten Säulenformen des Basaltes, ist aber ein felsitischer Porphyrit. Links und rechts neigen sich alte Eichenstämme zur senkrechten Thalwand und obenher besteht guter Wald im Hintergründe das abschließende Felsenkarnies. Seitwärts bemerkt man an schattigen Bodenstellen die Grundblätter von Valeriana alliariifolia und es entdrängen sich den Spalten des Gesteins die subtilen Wedel von Cystopteris, oder die noci eingerollten jungen Triebe von Scolopendrium. Hier rinden wir Gelegenheit, uns mit den Farnen und Miniaturen der Cryptogamenlandschaft bekannt zu nachen, aber in der letzteren wird alles so zierlich, dass wir meistens mit bewaffnetem Auge sehen müssen. Noch betrachten wir da, wo das Spritz-wasser den äußersten Rand der Engschlucht nie erreichte und die Sonne volle Macht behielt, die krausen Flechtenlager von Peltigera rufescens var. spuria, wehhe, wenn jung und unentwickelt, weiß und abbröckelnd sind, alt aber an Festigkeit in den unregelmäßig gefalteten Lagern gewinnen. Sie drängen sich [p.118:] in die fast verfilzten, ganz niedrigen Polster von Dicranoweisia cirrhata, deren zarte oberste Spitzchen gelbgrün gefärbt sind. Ebenda kann man mit dem Messer die festen und harten Kissen von Bryum argenteum vom Felsen heben, seitwärts davon gruppierte sich Ceterach officinarum. Je mehr man sich dem Staubregen naht, den das stürzende krystallhelle Wasser der Tiefe zusendet und der, gefasst vom Windzuge, seitwärts getrieben, unscheinbar zerschleißt, um so frischer im Grün, um so reicher an Form und Schönheit wird die Moosflora. In ausgedehnten Plattlagern bestehen Hypnum euchlorum und Bryum capillare das schlickige Gestein. Licht verteilt treiben überall daraus die feinen, glänzenden Seten hervor, welche an der Spitze die Sporenkapseln tragen, lebhaft kastanienbraun sind beide gefärbt. Andere Plätze nehmen die Kolonien von Pogonatum aloides und Brachythecium populneum ein. Leichter und höher aufgebaut sind die stark verästelten, schuppig, zart belaubten Neckera-Polster (N. crispa). Wo die fallenden Tropfen das Gestein beständig netzen, lagern buchtig geschnittene Reboulea-Lebermose (R. hemi-sphaerica) flach auf. Mannigfach sind die lieblichen Einzelheiten dieser Mooslandschaften, deren Grün eigentümlich, oft intensiver, frisch und freudig ist. Dazwischen wurzelt in den Spalten, beständig genetzt vom durchsickernden Nass, aromatische Wasserkresse, Nasturtium officinale, gegenwärtig blühend.
In Bezug auf die Farnkräuter, an denen das pontische Gebiet sehr reich ist (36 Arten), so will ich an dieser Lokalität nur von einigen sprechen. Wie überall an den Felsen, so machen sich auch hier die straffen Wedel von Polypodium vulgäre sehr bemerkbar. Oft heben sie sich aus den hellgrünen Neckera-Lagern hervor, laufen den vortretenden Karniesen entlang und nehmen auch mit trockeneren Standorten vorlieb. Ebenso verhalten sich Asplenium Trichomanes, Adianthum nigrum und Pteris cretica. Aus den Felsenspalten dringen die zierlichen Wedel von Gymnogramme leptophylla hervor, aber den Schatten und Humus lieben Scolopendrium officinale und Osmunda regalis, sowie Aspidium aculeatum. In seinen jungen Trieben ist Osmunda mattbraun gefärbt, erst wenn die Wedel auswachsen und die Sporen schon stäuben, zeichnet ein angenehmes, helles Grün das Laub aus. Lange tragen die an den Spitzen spiralig eingerollten jungen Wedel von Scolopendrium ihre zottig zerrissene, bräunlich glänzende Bekleidung, die später an den Stengeln und Mittelrippen ganz verschwindet. Gleiche Standorte wie die zuletzt genannten Farne wählt sich am liebsten auch Ruscus Hypophyllum und im Sommer treibt Aruncus Silvester reiche Blütenstände aus den hellgrünen Fiederblättern hervor.
Wer bei dem weiteren Aufstiege im Hauptthale des Tschoroch dieselbe Vegetationsüppigkeit wie in der Küstenzone erwartet, wird sehr enttäuscht werden. Zwar sind die Steilgehänge noch leidlich dicht mit Hochbusch, namentlich von Carpinus bestanden und ab und zu sieht man auch starke Buchen- und Eichenstämme, aber im Ganzen ist der Urwald auf die schwer zugänglichen Thalhöhen zurückgewiesen und unten am Boden schwindet Smilax mehr und mehr, je höher wir kommen, während Pteris ungeschwächt [p.119:] das ertblößte Gehänge in 1530 cm Tiefe mit seinen fortlaufenden schwarzen, fingerdicken Rhizomen netzartig durchzieht und aus ihnen die geraden, aufwärts gerichteten Schösslinge den Boden durchbrechen lässt. Strichweise wird Quercus sessiliflora von Q. armeniaca abgelöst, welche Art sich durch die dicker sehr regelmäßig geformten, grob und stumpf bogig gezähnten Blätter auszeichnet.
Vegetation am Mittellauf des Tschoroch. Sehr bald liegen die übermäßig nassen, in ihrer Vegetation so üppig und eigentümlich gestalteten Küstengebiete hinter uns. Der ganze Mittellauf des Tschoroch hat beiderseits an «einen steilen Thalwänden keinen Hochwald mehr und besitzt ein verhältnismäßig trockenes Klima, welches sich auch in einer bedeutenden Anzahl xerophil- rupestrer Pflanzenarten dokumentiert. Je höher wir, immer auf rechter Thalwand, ansteigen, um so mehr werden wir über die erwartete Üppigkeit der Flora enttäuscht. An Stelle der unbesiegbaren Kraft und Fülle der Tieflandsformen tritt Armut und Krüppelwuchs. In den engen Quer-thälern rauscht kein Wasserfall, seltener werden die Rhododendron- und Azalea-Gebüsche, und Smilax bleibt entweder nur dem Boden nahe, oder fehlt ganz. Die Alpenrosen machen jetzt neue Blatttriebe, aus den halbgeschlossenen Endknospen legen sich die jungen Blätter seitlich flach aus. Wo die Gebüsche noch blühten, fielen vom hohen Wegrande die Blumen auf die Straße und färbten sie, verwelkend, strichweise schön Violett. Bisweilen streut auch Azalea die hinsterbende Pracht ihrer guttigelben Blumen auf den Weg.
Auf den lehmigen Gehängen machen sich besonders die Gruppen von Coronilla cappadocica und unantastbaren Onosma rupestre bemerkbar. Zwischen ihnen schießen Reseda lutea und Urospermum picroides hervor, während dem Felsen Chamaemelum oreades und die adsharische Varietät von Centaurea bella (C. adzharica) angehören.
Cistus salviifolius beherrscht eine breite Zone im Tschorochthale und zwar gerade unten dem Flusse näher, er verschwindet zusehends, je höher die Straße führt (so bei Zingot). Etwa 6 km oberhalb vom Adshari-tskali sieht man ihn thalabwärts zuerst, dann bedeckt der niedrige, unansehnlich graugrünlich belaubte Strauch große Flächen zwischen den verkrüppelten Carpinusgebüschen (C. duinensis), meistens reichlich mit weißen, bisweilen auch mit rosafarbenen Blumen bedeckt. Dieses niedrige Qstusgebüsch baut sich spirrig, vielästig, dürftig auf, nur bei Sonnenßchein verleiht ihm die flach aufgedeckte Blume einigen Schmuck. In der Tiefe des Thaies tritt Cistus bei Artwin wieder häufig auf. Gleichzeitig mit ihm beginnt auch die Kiefer im Tschorochthale, es sind junge, niedrige Bäume von kaum 10 Fuß Höhe. Sehr bald wird P. sylvestris häufiger, kleine Gruppen durchsetzen das verfressene Carpinusgebüsch und oben, nahe der Höhe des Gebirges bemerkt man die ersten Picea orientalis.
Nur mit dem Eintritt in die schmalen Cjuerthäler, die gegen W. und O. geöffnet sind, findet man wieder die kräftige Waldformatjon. Dort schießen auf feuchtem Humusboden Saxifraga rotundifolia und wucherndes Geranium [p.120:] Robertianum empor; Tamus communis rankt im Busch; an lichteren Stellen gedeckt Staphylea colchica, ihm zu Füßen im Rasen von Trifolium tuimens wurde der schöne Ranunculus vitifolius in der Varietät ß. minor ge&amimelt. Nach weiterer Umschau im grandiosen Gebirgspanorama senken wir den Blick steil abwärts.
Tief unter uns braust der lehmgelbe Tschoroch, oft eingezwängt im emgen Felsenbette, dann wieder breiter verlaufend, sich teilend, umfassen säeine Fluten Flachjnseln, die von dichtem Gebüsch der Hippophae grasgrün schimmern. Dann sieht man kleine Untiefen des Wassers in felswandligen Buchten, darin Sandablagerungen, auf denen Tamarixgebüsch licht veirteilt steht. Das ist T. Hohenackeri, sie entwickelt das zarte Laubwerk erst mach dem Abblühen ihrer vielen weißen Blütenähren, die die Art schon aus der Ferne mit Sicherheit erkennen lassen.
Obwohl in der Folge die Höhe zunimmt, so werden die lehmigen Gehänge doch noch trockener und der Landwirt muss zum Gedeihen seiner Felder zur künstlichen Bewässerung greifen. Schon treten beide Rhusarten und der bis dahin vermisste Paliurus auf. Überall stehen die Karrikaturen von misshandeltem Carpinus duinensis, dazwischen das steife, spitzige Astwerk von Cotoneaster nummularia, flach ausgelegt, mit grauer, kleiner Belaubung und einzelnen aufgedeckten Blüten. Dann wieder Mespilus pyracantha, dorrnig, starr; das glänzende, dunkelgrüne Blattwerk ist an ihm jetzt fast ganz von den gedrängt stehenden, weißen Blumendolden verdeckt. Schon wird Buixus seltener, kleiner, schwächer, das niedrige Cistusgebüsch krüppelig. Eichen und kleine Kiefern bleiben noch. Stachelige Astragalen, soweit erkennbar in zwei Arten, werden nur vereinzelt bemerkt und vergebens sucht man mach den niederkauernden Igelformen der unantastbaren Acantholimon-Arten. Am Boden zwischen dieser dürftigen Strauchvegetation entwickelten sich ausdauernde Labiaten. Die grauen, dichtgeschlossenen, abgerundeten Haufen von Teucrium Polium fallen besonders auf, neben ihnen schoss das steifhaairige Onosma stellulatum hervor, nachbarlich leben hier auf trockenem Lehmboden Teucrium Chamaedrys mit Centaurea bella und Scorzonera Jacquiniana zusammen.
Dieser Dürftigkeit in der Natur entsprechen die ökonomischen Verhaltnisse der Gegend. Infolge der Trockenheit kommen Hungerjahre vor. Man erntet höchstens das 7. Korn. Der Mais steigt im Preise bis zu i Rbl. 20 K!op. pro Pud (normal 40 Kop.), das Heu bis auf 60 Kop. (normal 10 Koip.). Und alles das findet in verhältnismäßig geringer Entfernung vom Meere statt, nämlich nur in 50 km, wo im pontischen Ufergebirge buchstäblich der Über-fluss an Niederschlägen Fäulnis erzeugt und viele Existenzen zu Grunde richltet.
Die Flora von Artwin, von 1801830 m (6006000 r. F.) in ihren verschiedenen Abstufungen. Wir bewegten uns bis jetzt, im engjen Tschorochthale aufwärts wandernd, vom Meeresufer beginnend, in Höhen bis zu 600 m (2000 r. F.) und blieben dabei immer auf rechter Uferseite. Efrst wenn man sich gegenüber von Artwin, dem Centrum der Verwaltung (des [p.121:] oberen adsharischen Gaues befindet, steigt man an der Westseite, um den Ort zu erreichen, auf 24 lang ausgezogenen Serpentinen zum hinstürzenden Flusse bis auf 180 m (600 r. F.) herab und dann auf ebensovielen an der Ostwand hinauf, um mit 640 m (2100 r. F.) an der Moschee mitten in der Stadt und höher in über 1830 m (6000 r. F.) auf der Salalet-Höhe in der subalpinen Zone zu stehen. Selten wird man eine Lokalität finden, die in Bezug auf die Flora so vielgestaltig und lehrreich ist. In der Luftlinie handelt es sich nur um eine Distanz von etwa 8 km, um aus der trockenen, heißen Zone mit vorwaltend xerophilen und rupestren Formen, mit Ölbaum, Weinkultur und Cypressen an die Baumgrenze und in die fetten, niederalpinen Wiesen zu gelangen. Dafür bietet die Ausbeute, welche ich vom 12.15. Mai 1893 hier machte, den schlagendsten Beweis und ich will daher zunächst ein Verzeichnis der Arten nach ihren Standorten geben.
An den trockenen Westgehängen wurden gesammelt: (* an Felsen)
Adonis aestivalis L. Aegilops squarrosa L. *Alsine setacea Thail. » verna (L.) Boiss. Alyssum campestre L, (gamma) micranthum Boiss., Asperula orientalis Boiss. et Höh. * » glomerata M. B. *Astragalus sp., dornig, unentwickelt » vicnfolius DC. (affinis). » collinus Boiss. » Sintenisii Freyn. *Callipeltis cucullaria L. *Campanula macrochlamys Boiss. et Huet. und C. rapunculoides L. Capparis spinosa L. Carduus pycnocephalus Jacq. (beta) albidus Boiss. Caucalis daucoides L. *Centaurea Pecho Alb. n. sp. Centranthus longiflorus Stev. *Ceterach officinarum Willd. Ceratocephalus orthoceras DC. Cistus salviifolius L. Clypeola Raddeana Alb. n. sp. Colutea arborescens L. Convolvulus arvensis L. Convolvulus cantabrica L. Coronilla cappadocica Willd. *Cotoneaster Nummularia F. et M. Dactylis glomerata L. Echinospermum Lappula (L.) Lehm. . Erophila verna (L.) E. Mey. *Erysimum versicolor M. B. Euphorbia virgata. W. K. » helioscopia L. * » biglandulosa Desf. *Fumaria procumbens (Dun.) Boiss. > . arabica (L.) Boiss. forma glandulosa latifolia. *Galium coronatum Sib. et Sm. » aureum Vis. *Genista lydia Boiss. *Helianthemum Chamaecistus Mill. *Herniaria hirsuta L. Jasminum fruticans L. Juniperus Oxycedrus L. mit Arceuthobium Oxycedri DC. M. B. Juniperus foetidissima Willd. » communis L. Leontodon asperum W. K. Linum flavum L. Linaria micrantha (Cavan.) Spreng. [p.122:] *Marrubium astracanicum Jacq. var, Raddeanum Alb., Marrubium vulgare L., Medicago sativa L., Micromeria elliptica C. Koch., Myosotis sylvatica Hoffm., Olea europaea L., Onobrychis sativa Lam., Paliurus aculeatus Lam., Papaver commutatum F. et M. *Parietaria judaica L. *Paronychia kurdica Boiss., Periploca graeca L., Physalis Alkekengi L., Potentilla hirta L., Prangos lophoptera Boiss. , Punica granatum L., Rhus cotinus L. und Rh. coriaria L., Salvia viridis L., *Saxifraga cartilaginea Willd. Scabiosa micrantha Desf. *Sedum glaucum W. K. und S. palli-. dum M. B. Senecio vernalis W. K. *Silene spergulifolia Desf. Stachys iberica M. B., » sylvatica L. Stipa barbata Desf. Thymus serpyllum L. genuinum. Tragopogon reticulatum Boiss. et, Huet., *Tunica Saxifraga (L.) Scop. *Veronica multifida L., » filiformis Smith. * » telephiifolia Vahl (beta) pilosa Boiss. Vincetoxicum officinale Moench.
An den Ostgehängen bis zu den Höhen des Salalet wurden gesammelt:
Abies Nordmanniana Stev., oben. Acer campestre L., Adiantum. Capillus veneris L., Ajuga orientalis L., Alliaria officinalis Adam., Wald., Alyssum calycinum L., Anchusa italica Retz., » myosotidiflora Lehm. Anemone blanda Schott. Astragalus Barbeyanus Freyn. n. sp. Camelina sylvestris Wallr. Cardamine uliginosa M. B. Chamaemelum Tschihatschevii Boiss. Coronilla scorpioides Koch. Corydalis Marschalliana Fall. Cytisus hirsutus L. Daphne pontica L. Draba tridentata DC. Equisetum palustre L. Fumaria Pikeriana Boiss. et Huet Galium Cruciata (L.) Scop. (beta) chersonense (Willd.) Boiss., Ilex Aquifolium L. Lathyrus Nissolia L. » Aphaca L. > hirsutus L., Wald. Lepidium campestre L. Linaria sp. praealtae Boiss. äff. Linum angustifolium Huds. Lithospermum purpureo-coeruleum L. Malva rotundifolia L. Muscari racemosum Mill. Myosotis silvatica alpestris (Schm.), Koch., Nonnea lutea (Lam.) Rchb. Onosma sericeum Willd. Ornithogalum narbonense L. » refractum Kit., Oxalis Acetosella L., » corniculata L. Papaver arenarium M. B. Petasites alba Gärt. Physocaulos nodosus (L.) Tausch. Picea orientalis L., [p.123:] Pirus communis L. » Malus L. Poa bulbosa L. vivipara. PolygonatumpolyanthemumAlljWald. Polypodium vulgäre L. Poterium Sanguisorba L. Primula Pallasii Lehm. Quercus sessiliflora Sm. Baumgrenze. » » ß cedrorum DC. tiefer. Ranunculus arvensis L. Rhododendion ponticum L. blüht selten. Rhododendron Ungernii Traut. Rosa canina L. v. dumetorum Thuill. Salix alba L. Scorpiurus subvillosa L., feuchte Wiesen. Scorzonera Jacquiniana Boiss. Scrophularia chrysantha Jaub. et Sp. Solanum nigrum L. Sorbus torminalis (L.) Crtz. Telekia speciosa (Schreb.) Baumg., Blätter. Trifolium hybridum L., feucht. » procumbens L. minor Boiss. Valerianella coronata DC. Veronica officinalis L., Wald. > gentianoides Vahl. Viola canina L. > odorata L. a. suavis M. B.
Auf dem Salalet (Schneeschmelze):
Gentiaia verna L. var. alata Griseb. Viola altaica Fall. Gagea Liotardi Schultz. Ornithogalum Balansae Boiss. Potentilla micrantha Ram.
Zunächst belehrt uns dieses Verzeichnis darüber, dass die Floren der W.-und O.-Seiten merklich von einander abweichen und dass ferner reichlich ein Dutzend bezeichnender Steppenarten sich mit Vorliebe an dem trockenen Westgehänge unter die rupestren Arten mischten. Auch in der allgemeinen botanischen Physiognomie beider Gehänge treten die Unterschiede prägnant hervor. Man überschaut aufwärts am linken Tschorochufer aus der Tiefe die saftig dunkelgrünen Partien alter Maulbeergärten abwechselnd mit den Kronen der Wallnussbäume, die jetzt noch nicht vollbelaubt einen bräunlichen Farbenton besitzen. Fahles Graugrün unterbricht streckenweise solche Plätze, da stehen wohlgepflegte Ölbäume, auch ein paar hohe Cypressen präsentieren sich. Dem folgen aufwärts die frischen Farbentöne geschonter Wiesen und Weingärten. Je höher der Blick schweift, um so reiner wird das Grün, um so größer werden die Heuschläge. Aufwärts am rechten Ufer hat man es dagegen mit aridem, lehmigem Boden, Steilabhängen, Schuttland und Felsengruppen zu thun, nur hier und da giebt es kleine, feuchte Flächen mit spärlicher Wiese oder ein geringes Gerstenfeld, hohen Buschwald, krüppelnde Eichen, starre Juniperusgruppen und niedrige Kiefern. Oberflächlich verwitternde Diabasporphyre, steilwandig, 25 m hoch und höher, bleiben von der Hand des Menschen unberührt. Da hat sich alles ungestört entwickeln können. Fest in den Spalten des Gesteins saßen die Rosetten der pergamentdicken Grundblätter von Saxifraga cartilaginea. Anderweitig treten aus den [p.124:] Felsenritzen die dunkelgrünen, zerbrechlichen Triebe von Parietaria judaica hervor und die robuste Campanula macrochlamys dringt mit der starken Pfahlwurzel fußtief in das Gestein. Hier auch die reizendste aller Veronic starten (V. telephiifolia), deren gedrängt stehende lasurblaue Blumen in langen Strähnen an der Felswand herabhängen, während das dicke, starkgezähnte immergrüne Blatt die Unterlage dazu hergiebt. Nachbarlich bei einander leben Tunica Saxifraga, Alsine saxatilis und Asperula glomerata. Spirrig glatt nach allen Seiten hin gerichtet erheben sich die Stengel der zuerst genannten Art mit unscheinbaren Blümchen und Blättern. Fest anliegend, knäutl-förmig, mehr grau als grün und sehr zerbrechlich, schmiegen sich die Asperula-(Crucianella-)Gruppen (A. glomerata) an den Felsen. Unweit von ihnen glänzen kleine, weiße Flecken von Paronychia kurdica; Herniaria hirsuta färbt in ihrer Nähe das Gestein matt gelbgrün und die beiden Fumariaarten drängen sich aus den niedrigen Polstern der beiden kleinen Sedumarten hervor. E'ie stattlichste unter allen Felsenpflanzen ist die Dolde Prangos lophoptera und die schönste Centaurea ist C. Pecho, deren untere Blattseiten schneeweiß bis hellgelb dicht befilzt sind.
Die Exkursion, welche am 27. Mai 1893 am Ostgehänge der Salalot-Höhen gemacht wurde, ließ uns die großen Differenzen in der Florenkombination gegenüber dem eben besprochenen Westgehänge erkennen. Im An- , stiege wandert man durch Gebüsch von Acer laetum und A. campestre; auch Sorbus torminalis, blühende Wildäpfel und Birnen sind da. In 1400 m (4600 r. F.) Höhe blühte die Steineiche, deren weiche Blätter erst ZollgröOe erreicht hatten. Zwischen solchem Gebüsch liegen wiesenartige Flächen, kleineGerstenfelder und immer noch Einzelgehöfte. In 15001800m (56000 r.! F.) Höhe kam man in die kaum beginnende Frühlingsflora. Das Azaleengebüsch, noch unbelaubt, trug die dicken, aufgeschwollenen Blumenköpfe noch von den harzigen Hüllblättern umschlossen. Ihm zu Füßen standen buschige Daphnen in Blüte, das dunkelblau blühende Lithospermum purpureo-coeruleum und Draba nemoralis mit dottergelben Blumen zierten die Ränder des Pfades. Mit 2070 m (6800 r. F.) tritt man in die tiefreichenden Gebiete der subalpinen Wiese, sie durchschneiden von oben her an manchen Stellen die Hochbuch« :n-zone, welche die Baumgrenze bildet. In sie senken sich jetzt noch die ;:u-sammengewehten Schneeschründe, welche im Hochsommer verschwinden. Wintertotes Gebüsch umgürtet solche Flecke. Hier konnte man schon die reizenden Formen der Frühlingsflora sammeln.
Hochwaldbestände von Buchen werden thalabwärts von den Massiven beider Zapfenbäume (Picea orientalis und Abies Nordmanniana) durchsetzt. Am Boden unter ihnen und an Freiungen erstrecken sich die Komplexe der Rhododendron, und zwar nicht allein Rh. Ungernii und Smirnowii [Anm: albow führt Rh. Smirnowii nur von einem ändern Standort in 700 m Höhe auf. Es wäre also wohl möglich, dass wir es hier oben nur mit Rh. Ungernii zu thun haben. Durch die Blütenfarbe sind beide gut zu unterscheiden: Rh. Ungernii weiß oder hellrosa, Rh. Smirnowii karminpurpurn.], die, jetzt [p.125:] ohne Blüten, dem Blatte nach kaum zu unterscheiden sind, sondern auch, wenig tiefer, Rh. ponticum, welches letztere in den adsharischen Gebirgen von albow noch in 2200 m (7200 r. F.) gefunden wurde (forma humilior, floribus pallide roseis, pedunculis glandulosis! so ist auch mein blühendes Exemplar vom Salalet). Offenbar treten hier die fünf kaukasischen Rhododen-dron-Species (Rh. ponticum, Rh. caucasicum, Rh. flavum [= Azalea pontica], Rh. Ungernii und Rh. Smirnowii) am nächsten zu einander. Auf freien Standorten waren die Kolonien von Rh. Ungernii und Rh. ponticum unter der allwinterlichen Schneelast niedergedrückt, das Gebüsch breit ausgelegt, bis mannshoch, mit 4 Zoll Stammdicke. Beide Arten trugen jetzt die Blütenknospen kaum angeschwollen, aber, die aufgeplatzten leeren Samenkapseln vom vorigen Jahre ragten zwischen den dunkelgrünen, obenher glatten Blatt-flachen hervor und auf der Unterseite dieser Blätter, die bei Rh. Ungernii einen gleichmäßigen gelblich-weißen Filz tragen, machte sich die derbe, kahle Mittelrippe sehr bemerkbar. Gleich seinem nahen Verwandten in der subalpinen Zone, Rh. caucasicum, beherrscht auch Rh. Ungernii das eroberte Gebiet. Unter seinem Schütze gedeihen Moos- und Flechtenpolster im ungangbaren Geäste. Außerhalb der Rhododendronbestände hatte sich, niederkauernd, weil schneegedrückt, Prunus Laurocerasus und 34 Fuß hoher Ilex angesiedelt, letzterer machte mit den vielen glänzenden, zinnoberroten Beeren im dunkeln Blattgrün einen auffallenden Eindruck. Auch sah man fadenhohen Sorbus (Pirus) Aucuparia, im Laube ganz jung und welk, ohne Blütenknospen in solcher Höhe. Die beiden Zapfenbäume standen thalabwärts auf trockenem Boden zwischen den Rhododendron. Picea orientalis in mehr oder weniger zusammenhängenden, reinen Beständen mit Stämmen von mit. i Fuß Durchmesser, Abies Nordmanniana dagegen immer vereinzelt, schwächlich, bei 30 Fuß Höhe kaum i Fuß Durchmesser und nur wenige Zapfen tragend. An den orientalischen Tannen wuchert nicht allein die Usneaflechte (Usnea barbata var. dasypoga), auch große Lager von-Sticta pulmonacea var. hypomela hatten sich auf den Rinden angesiedelt. Die Schwäche der Coni-feren mag hier wohl abhängig von der großen Trockenheit des Bodens gewesen sein.: Dieser war an den beschatteten Stellen nicht selten ausschließlich mit der Rentierflechte Cladonia rangiferina var. foliosa bestanden und eben da, wie .auch an Fplsen wurde eine zweite Art: Cladonia pyxidata und Peltigera polydactyla gesammelt. Polypodium vulgäre trieb aus den kriechenden Wurzeln neue Wedel, in seiner Nähe blühte Veronica officinalis. Unter den Moosen machten sich die größeren Polster von Hypnum cupressiforme auf felsigem Untergrunde am meisten bemerkbar. Zwischen den Peltigeraflechten stand Orthotrichum rupestre und sein minimaler Geschlechtsgenosse, O. ano-malum, mit den aufrecht stehenden Sporenbecherchen kaum 1/3 Zoll Höhe erreichend. Noch zierlicher, aber fest und eng zusammengedrängt, haften die abgerundeten, obenher flach sphärischen Polster von Grimmia pulvinata auf dem Felsen. Aus ihrer silberglänzenden, feinen Behaarung, welche den fast schwarzen Untergrund bedeckt, schauen die braunen Becherkapseln hervor.
[p.126:] Nur da, wo am Rande des Buchenhochwaldes der Boden besser wird, nimmt auch die Flora, zumal an feuchten Plätzen, an Arten und Kraft zu. Mächtig treiben die Blätter von Telekia speciosa hervor, Cardamine uliginosa und Petasites alba stehen in Blüte und vereinzelt tauchen die hellgelben Blumenrispen der schönen Corydalis Marschalliana aus, dem Grün des Bodens hervor.
Ich will mich hier nicht mit der subalpinen Vegetationszone beschäftigen, sie wird in extenso ,am Schlüsse dieser Arbeit behandelt werden. Es sei nur gesagt, dass man schon in circa 1920 m (6300 r. F.) in dieselbe an den tiefsten Stellen tritt, sie durchschneidet nämlich von oben nach unten die Hochbuchenzone, welche hier die Baumgrenze bildet.
Mit dem Eintritt in den Buchenwald, dessen Riesenstämme wohl reichlich 30 m Höhe bei über i m Stammdicke hatten und die, wo sie vereinzelt stehen, mit den vollen 'Kronen weit klaftern, wurden die Gruppen von Rhododendron Ungernii wieder beobachtet, auch hier niederliegend und bis zu 5 Zoll Astdicke erreichend. Die Buchen blühten, ihr Laub war noch weich, aber ganz ausgewachsen. Es herrschte absolute Stille. Der Urwald schattete, unheimliche Dämmerung ruhte rings umher auf dem Boden. Seitwärts davon, in der Nähe der Schneeschründe, drängte sich aus dem Boden einblütiges Ornithogalum Balansae. Muscari racemosum und Gagea Liotardi hatten ihre Kronen erschlossen und tiefer zierten Primula Pallasii und die großblumige blaue Anemone blanda im Vereine mit Veronica gentianoides und Mysotis sylvatica alpestris die Steilgehänge. Auch Viola altaica blühte schon und nahe vom sickernden Wasser und der weißen, hinschmelzenden Schneedecke leuchtete das herrliche Blau der Blumen des Frühlingsenzians, Gentiana verna, auf.
Pinus Pinea und Arbutus Andrachne unterhalb Artwin als östlichster Vorposten der typischen mediterranen Formation. Auf dem Basar von Artwin bietet man in einigen Buden Pinienzapfen der Nüsse wegen zum Kaufe an. Die Erkundigungen über ihre Herkunft deuten auf das Dorf Naswia, welches diesen Namen dem Baume verdankt, der gleichfalls Naswi heißt. Es liegt circa 8 km abwärts von Artwin hoch oben auf linker Thalwand. In dieser isolierten Pinienzone kommt auch der für die Mediterranflora gleich der Pinie charakteristische Arbutus Andrachne vor. Das Gebiet beider lernte ich erst während der Rückfahrt nach Batum kennen, welche im Kaijukboote am 28. Mai ausgeführt wurde. Die Conifere tritt abwärts bei dem Dorfe Naswia bis zum linken Ufer des Tschoroch heran und bildet einen lichten Waldbestand. Sie baut sich in den Kronen mehr abgerundet, als flach, oft stumpf konisch auf, erreicht 912 m Höhe und bleibt stets nur auf der linken Flussseite. Am rechten Ufer sah man dagegen beständig Juniperus excelsa. Wie weit Pinus Pinea im Gebirge heransteigt,- kann ich nicht sagen, gewiss ist aber, dass die Höhen Picea orientalis, vielleicht auch Abies Nordmanniana vermischt mit Laubhölzern tragen. Die Zone von P. Pinea erstreckt sich abwärts im Tschorochthal bis unterhalb vom Dorfe Ursuma.
[p.127:] Auf dieser Strecke gab es unten am Ufer hübsche Gruppen baumartiger Feigen im Andrachne-Gebüsch und höher standen dunkle, graugrüne Wach-holderbäume, umgeben von krüppelndem Carpinus, dazwischen fahlgelber Boden, kahl, tot, versengt. Hier nun war niedriger Cistus überall sehr gemein und hatte unter der brennenden Sonne die zahlreichen rosa und weißen Blumen flach ausgebreitet. Das verlieh dem ärmlichen Vegetationsbilde doch einigen originellen Schmuck. Das Arbutus-Gebüsch [Anm.:Neuerdings hat albow 1. c. pag. 163 das Vorkommen von Arb. Andrachne-Unedo, einer Bastardform der beiden Stammarten, von der Küste Abchasiens bei Piztinda nachgewiesen. A. Unedo ist bis jetzt im K. nicht gefunden worden.] erreicht oft die Höhe von 1215 Fuß und stand in voller Blüte. Arbutus wird vom Volke »Cheschischwila« d. h. der »kahle Baum« genannt, weil er die obere Rinde abwirft. Sein Holz ist geschätzt, es liefert die besten Kohlen. Noch unterhalb vom Dorfe Onago sah ich Arbutus und zwar in Gesellschaft mit verwilderten Feigen, hoher düsterer Juniperus excelsa .und am Boden viel Cistus-gebüsch. Nach den bis jetzt vorliegenden Beobachtungen darf man behaupten, dass diese interessante Lokalität mit Pinus Pinea, Arb. Andrachne und Cistus salviifolius der äußerste Vorposten gegen Ostea von einer der typischen mediterranen Florenformationen ist, der mit Überspringung der nördlichen pontischen Uferzone sich am mittleren Tschoroch insular erhielt.
Entwaldung. Dass übrigens ehedem die Ufergebirge am mittleren Tschoroch besser bewaldet waren, als sie es jetzt sind, wo man es nur mit den Resten jener Wälder zu thun hat, liegt auf der Hand. Überall, wo mit leichter Mühe das Holz von den Steilufern in den Fluss gestürzt und zur Mündung geschwemmt werden konnte, ist das geschehen. Guter Wald, in welchem die Coniferen vorwalten, erhielt sich nur da, wo mäh ihm auf den Gebirgshöhen in den engen Schluchtenthälern nicht beikommen konnte. Wir wissen, dass der Quelllauf des Tschoroch in der Türkei am Tortum-See und westlich von ihm das Gebirge auf den Höhen von guten Hochwäldern bestanden ist, wir wissen auch, daSs das Gebirge des östlichen Zuflusses Adshari-tskali im Süden von Kuli bis zur Baumgrenze schwer gangbaren Urwald trägt. Als ich auf letzterer Tour nach Ardagan 1875 in dem damals noch türkischen Gebiete den Aufstieg im Quelllande des Adshari-tskali vollführte, waren die Schwierigkeiten bis zur Baumgrenze sehr bedeutend. Auch hier kam ich in die vollschattigen Wälder, welche, je höher man stieg, um so mehr von riesigen Zapfenbäumen bestanden waren. Auch diese schweigsamen Wälder waren durchweg überständig und eine große Zahl der gesunden Stämme hatte das Beil zwar zu Falle gebracht, sie waren aber am Platze geblieben, wohl weil die Mühe des Herausschleppens zu groß gewesen. Außer ihnen verlegten Windfälle und Sturzholz uns auf Schritt und Tritt den kaum angedeuteten Pfad, so dass wir im Verlaufe des Tages kaum 3 km in gerader Richtung vorwärts kamen, während reichlich 2025 Kilometer gemacht worden waren. Diesen Schwierigkeiten gegenüber war der Gang von der [p.128:] Baumgrenze an bis zur Quellebene der Kura ganz leicht. Luft und Boden sind auch da trocken, Westwind herrscht vor. Repräsentanten der Steppenflora fehlen nur den nassen Stellen und oben den ausgedehnten Gölü-Sümpfen, sie überspringen natürlich auch die tieferliegenden vollschattenden Urwälder.
Frühlingsflora an der Küste von Batum.. Ich kehre nunmehr noch einmal in die Uferzone bei Batum zurück. Der Mai ging zur Neige und dennoch hatten manche Bäume ihre Belaubung nicht fertig gebracht. Nur weniger klarer und warmer Tage hatte sich die Meeresküste erfreut.
Erst jetzt, trug die Erle im kalten Sumpfterrain ihr volles' Laub und Pterocarya zeigte die schnurförmigen männlichen, aus frischem Blattgrün lang herabhängenden Kätzchen. An den angepflanzten vollblütigen Paulownien erblassten die violetten Kronen mehr und mehr. Catalpa bignonioides hatte ihr Blatt durchschnittlich erst bis zur Hälfte der Größe entfaltet und an Albizzia Julibrissin entwickelte sich im lichten Geäste das feine Fiederlaub nur wiinzig aus den Knospen. Dagegen prangten die süßen Kastanien im vollen Schmucke ihres saftig grünen Kleides, aber von Blüten sah man noch nichts. Besonders fielen überall die alten Apfelbäume auf, welche zum Teil wild, ehedem von den Türken gepflanzt, auch anderweitig auf den Lichtungen im Walde stehen. Sie hatten erst jetzt, Ende Mai, gar so spät, die Blüten entfaltet, wahrscheinlich waren sie durch vorjährige zu starke Frucht derart geschwächt und dürftig im Saft, dass sie offenbar kraftlos dastanden.
Rhododendron und Kirschlorbeer zur Blütezeit. Die beiden dominierenden, immergrünen Hochgebüsche, nämlich Rhododendron ponticum und Prunus Laurocerasus, hatten abgeblüht, sie schössen nun stark in den neuen Trieb und machten junges Laub. Rhododendron treibt über dem Blumenstande von welchem die Kronen herabfielen und nur.die jungen Samenkapseln, umgeben von Staubgefäßen und gekrönt vom Stempel stehen blieben Trichter der jungen Blätter hervor und am Kirschlorbeer sehen wir die neuen, hellen weichen Triebe schon 12 Fuß hoch hervorgeschoben das dunkle, ledersteife Blattwerk überragen, wo an den herabhängenden Blütenachsen jetzt die Früchte rasch. auswachsen. Vor 14 Tagen standen solche Rhododendron- und Kirschlorbeer-Gruppen entlang der Küste in voller Blütenpracht da. In der That, es dürfte schwer halten, im Buschholz irgendwo etwas Ähnliches an Schönheit zu finden. Auf dem rasch ansteigenden Gebirge trägt dann der Buchenwald das volle junge Laub. Mit einzelnen seiner Riesen tritt er bis hart an das Meeresufer, die sanft abgerundeten Umrisse seiner Kronendome heben sich leicht von einander ab. Ihnen zu Füßen, an freien Stellen und auch im Halbschatten, stehen oft enge verschwistert beide immergrüne Hochgebüsche. Zwanzig Fuß und darüber hoch bauen sie sich auf, Schenkeldicke erreichen ihre Äste über dem Boden. Das dichte, dauerhafte Laub beider deckt sich in seiner Fülle vollständig. Im Innern solchen Busches dämmert es kaum, auch wenn die Sonne im Zenith steht. Man glaubt aus gewisser Entfernung auf dunkelgrüne, mattglänzende Wände zu [p.129:] schauen. Auf ihnen malen sich die großen violettroten Flecken der enge zusammenhängenden, endständigen Alpenrosenblumen, und zwischen diesen
Fig. 2. Rhododendron-Gebüsch. Leider bin ich nicht imstande, dem Leser das unvergleichliche Frühlingsbild von blühendem Rhododendron und Kirschlorbeer vorzuführen. Die Bemühungen des Herrn burkhardt lieferten keine brauchbaren Platten. Der Glanz des steifen Laubes mag wohl die Klarheit der Photographien beeinträchtigt haben. Unsere Tafel zeigt uns das stark verrottete Rhododendron-Gebüsch, dahinter den Vollbusch von Carpinus betulus, wie dergleichen ebensowohl am Fuße des Gebirges wie auch auf erhöhtem Boden in den Sümpfen des Riondeltas vielfach vorkommt.
leuchten, aufrecht erhoben, die 35 Zoll langen schneeweißen Blütenwalzen des Kirschlorbeers hervor. Unvergleichlich ist der Eindruck, den dieses [p.130:] Pflanzenbild macht; zwar ernst, kalt und unbeweglich, aber edel und selten schön.. Wenn oben in den Kronen der Buchen vor dem herannahenden Gewitter der Sturm wühlt, bleiben die Massive von Rhododendron und Kirschlorbeer ruhig-, so innig und steif sind sie gebaut. Nahe bei ihnen wuchert Rubus glandulosus und R. nemorosus zur Dschungel heran, die weniger bewaffnet und lichter geformt ist, als die von R. fruticosus und seinen Verwandten. Vor dieser, gedrängt, junger Adlerfarn, am nahen Gestein Pteris cretica und der Rasen davor besät mit den Blumen des Tausendschönchens (Bellis perennis) und hell goldgelben Köpfchen von blühendem Trifolium pro-cumbens.
Auch jene uralten Süßkirschenbäume (Prunus avium), von denen einer 2 Fuß über der Wurzel einen Umfang von 280 cm besaß, zogen die Aufmerksamkeit durch den überreichen Fruchtansatz auf sich, nur wird man gewiss noch 34 Wochen warten müssen, also bis Ende Juni, bevor die Kirschen essbar was für die Breite von 41° 39' im Niveau des Meeres in der That unerhört spät ist. Immer noch machten sich die Smilax-Knäuel in ihren peripherischen Partien durch die vorherrschende braungelbe (terra siena) Färbung bemerkbar, während ihr spärlich verteiltes Laub tiefer abwärts bereits ausgefärbt war und die achselständigen, kurz gestielten Blütenbündel hier und da von Bienen umsummt wurden. Pteridium und Sambucus Ebulus wetteiferten im Wüchse, durchschnittlich waren beide schon 34 Fuß hoch. Auch die eingewanderte Phytolacca decandra und das verwilderte Clerodendron aculeatum, so auffallend durch die intensive violette Farbe der Spitzentriebe, blieben hinter jenen beiden nicht zurück. An der Rebe gab es noch keine Blüten, Cornus sanguinea (C. australis) trug schon die flachen Fruchtdolden, C. mas war hier unten nirgends zu finden. Ebenso gehört Philadelphus coronarius, wenn er nicht ganz fehlt, in der unmittelbaren Küstenzone zu den Seltenheiten, auch wurde Lilium monadelphum nicht bemerkt. Dagegen tritt auf schattigen Anhöhen das saubere Buschwerk von Vaccinium Arctostaphylos, jetzt blühend, vorteilhaft hervor. In seiner Nähe steht eine Schmuckpflanze des kolchischen Waldes, jetzt schon verblüht, Psilostemon Orientale, in allen ihren Teilen, sogar auf der Außenseite der blauen Blumen, mit brüchigem Dornhaar bewaffnet.
Die Farnkräuter, Moose, Flechten und Pilze. Bevor ich den Moosen und Flechten der Uferzone noch einen flüchtigen Blick zuwerfe, gebe ich zunächst ein Verzeichnis aller bis jetzt im kaukasischen Gebiete nachgewiesenen Farnkräuter. ALBOW brachte in seiner neuesten Arbeit »Prodromus florae colchicae« für Kolchis die stattliche Zahl von 32 Arten und 4 Varietäten zusammen, wozu noch LlPSKY's Asplenium Breynii (A. germanicum) kommt. Nach Osten hin nimmt diese Zahl rasch ab. Selbst unter ähnlichen Bedingungen wie in Kolchis wurden in Talysch bis jetzt nur 20 Farne ermittelt, welche ich in meiner Flora und Fauna des südwestlichen Kaspi-Gebietes 1886 aufführte. Von ihnen fehlen 4 in Kolchis.. Jedenfalls wird auf dem weiten Intervallböden, zwischen beiden "Gebieten, welcher sich durch Trocken- [p.131:] heit auszeichnet, auch diese Zahl nicht erreicht werden, obwohl da noch Manches zu entdecken ist. Den auch in Talysch gefundenen Arten stelle ich ein * vor und füge meine Beobachtungen den ALBOW'schen bei.
Botrychium Lunaria (L.) Sw., selten, Nordseite, Lashaquellen, Kalk, 700 m, Alb. *Ophioglossum vulgatum L., Südseite, Abch., selten, Alb., Osmunda regalis L., Uferzone, Batum, R., Gymnogramme leptophylla Desv., Uferfelsen am Meere, Batum, R. Ceterach officinarum R. Br., 01830 m, Alb. R., in Talysch 15201830 m von hohenacker und R. gefunden. *Woodsia ilvensis R. Br., Abch., bis 2900 m, Alb. » fragilis Moor., o2130 m, Abch., Alb. *Polypodium vulgäre L., 02020 m, überall, Alb. R. Cheilanthus Szovitsii Fisch, et M., Talysch, R., Phegopteris polypodioides Fee, 1830 m, Abch., Alb. R., Dryopteris (L.) Fe"e, subalpin, Abch., Alb., Robertiana (Hoffm.) R. Br., 1900 m, Abch., Alb., die beiden letzteren von ALBOW entdeckt., Allosorus crispus (L.) Bernh., 2200 m, Abch., Alb. *Pteris cretica (L.), Uferzone, Alb. R. *Pteridium (Pteris) aquilinum (L.) Kühn, 01500 m, Alb. R., Blechnum Spicant (L.) Roth., o1830 m, Alb. R. *Scolopendrium officinale Sm., Uferzone, Alb. R., Adiantum Capillus veneris L., 01500 m, Salalet, R. ,Asplenium viride Huds., bis 2250 m, Ming., Alb., * » Trichomanes (L. z. T.) Huds., 2020 m, Alb., * » Ruta muraria L., 1502020m, Alb. R., * » Adiantum nigrum L., 01200 m, Alb. R., * » septentrionale Sm., 3002130 m, Alb. R., » germanicum Weis. (= A. Breynii Retz.), wurde 1891 bei Gunib, von LlPSKY entdeckt. *Athyrium Filix femina (L.) Roth., bis 600 m, Alb., » alpestre (Hoppe) Ryl., subalpin, Abch., Alb. .Aspidium Lonchitis (L.) Sw., bis 1830 m, Abch., Adsh., Alb. R., * » aculeatum (L.) Doll., o1520m, Alb. R., » * » ß Swartzianum Koch, 0600 m, Alb. R. > montanum (Vogl.) Aschers. (= A. Oreopteris Sw.), 1900 m, Abch., Alb., beide letztere von albow entdeckt. . f » . * Thelypteris (L.) Sw., Gilan, Tiefland., * » Filix mas (L.) Sw., bis 1830m, Alb., » rigidum Sw., subalpin, Abch., Alb. . :, »* » ß australe Ten., Abch., Alb., beide von ALBOW entdeckt,, » spinulosum Sw. ß dilatatum Koch, 1200 m, Abch., Alb., f * » cristatum (L.) Sw., Talysch. ; [p.132:] *Cystopteris fragilis (L.) Bernh., subalpin, Abch., Alb., > » ß tenuisecta Boiss., bis 2130 m, Abch., Alb., Onoclea Struthiopteris (L.) Hoffm., 7801520 m, Abch., Alb. R.
Die vier nur aus Talysch erwiesenen bezeichne ich mit +. Im Kaukasus sind also bis jetzt 37 Farne gefunden worden.
Was ich nun noch über die Moosflora von Batum unten in der Uferzone sage, das gilt für das ganze kolchische Küstengebiet, also vom Tschoroch bis Sotschi. Einige Arten gedeihen auf dem Kalk besonders üppig, aber sie bewohnen nichtsdestoweniger auch die Schiefer und porphyrischen Gesteine von Batum. Das ist namentlich der Fall bei der reizenden Neckera crispa. Bei Gagri bespann dies zierliche, hellgrüne Moos die nackten Kalkfronten überall da, wo ihm Feuchtigkeit dargeboten wurde. Am Ausgange des Tunnels, etliche km bevor man Batum erreicht, waren die Pflänzchen auf porphyrischen Felsen, robuster, kürzer und noch saftiger grün, sie vermieden die gar zu nassen Stellen. An solchen sehen wir die ausgedehnten Lager des Lebermooses Reboulea hemisphaerica braunrot und grün gefleckt, an deren Rändern die dichten Kolonien von Philonotis rigida var. longipedun-culata durch die fast 3 Zoll hohen hellzimmtbraunen, glänzenden Stielchen auffielen, an deren Spitzen die krugförmigen Keimbüchsen, grün, noch unreif, standen. Eine der lieblichsten Miniaturen, die man sich denken kann, finden wir an solchen Steilfelsen, deren Fronten, gegen Norden gekehrt, beständig vom sickernden Wasser beträufelt werden. Hoch an den trockenen Karniesen stehen in voller Blüte Anthemis partheniifolia, aber tiefer abwärts im feuchten Felsenboden bedecken große Kolonien von Saxifraga Cymbalaria (= S. orientalis) die senkrechte Wand. Schon Anfang April sieht man unzählige gelbe Blümchen auf dem hellen Grün der tiefgezähnten, nierenförmigen Blättchen förmlich haften, die ihrerseits ganz das Gestein verdecken, fortwährend bestäubt oder betröpfelt, ein flaches, umfangreiches Lager bilden. Eingebettet ist dieses dem Rande entlang namentlich wieder von Philonotis rigida und etlichen Bryum-Arten, unter denen B. argenteum in jetzt sterilen Beständen die winzigste ist. Üppiger entwickelte sich Atrichum angustatum, und die gemeine Barbula muralis bedeckt größere Flächen, zahllos stehen auf den fein-fädigen Stielchen ihre schmalen, zugespitzten Sporenträger. Vinca und Epheu drängen sich gerne in diese Welt der zierlichen Mooszwerge, sie beranken die Blößen der Felsen und legen die Spitzen ihrer Triebe leicht über die Moospolster. Aber die hervorbrechenden Wedel von Aspidium aculea-tum und die tellergroßen Blätter von Petasites officinalis schützen sie besser vor den auffallenden Sonnenstrahlen zur Mittagszeit. (Siehe beistehende Figur 3.) Mancherlei Anderes siedelte sich weiter seitwärts, wo die Felsenwände trockener werden und sich schon mehr Erdboden in den Rissen darbietet, an. Der gemeinen Barbula muralis, die auch an solchen Stellen wächst, hatten sich Ceratodon purpureus und eine Barbula-Art [p.133:]
Unser beigefugtes Bild giebt die kräftigeren Formen, so das Farnkraut Aspidium aculeatum und Petasites officinalis. Einzelne federspuldicke Smilaxfäden durchsetzen solche Gruppen und dringen abwärts bis zum Boden. Links wuchern die Blätter von Valeriana alliariifolia hervor. Rechts lassen sich die erwähnten Polster von Saxifraga Cymbalaria leidlich erkennen. Das Original wurde mir von Herrn Konsul Burkhardt in Batum 1896 gesendet.
[p.134:] (B. unguiculata) beigesellt. Im sandigen Lehmboden stand an den entblößten Steilgehängen Polytrichum commune, sowohl typisch als auch in der var. perigoniale, anderweit leuchteten gelblich-grün glänzende Dicra-nella-Polster auf, an ihren Rändern stand das braune Polytrichum aloides. Dazu kam noch Bryum und mit Vorliebe auf kalkigem Boden Funaria hygrometrica. Über die trockenen Felsen werfen Thamnium Alopecurus und Anomodon viticulosys ihre dichten, bräunlich-grünen Gewebe, bei dem ersteren hängen sie bartförmig abwärts. Ungleich seltener als diese war Anthoceros punctatus. Manche von den genannten Moosen lebten auch im Walde auf alterndem Stammholz, so namentlich die Hypnumarten, von denen H. popul-neum das häufigste.
Im schattenden Hochwalde, höher am Abhänge, wo jetzt Schneeballen und Liguster zu blühen beginnen, wuchsen mancherlei Flechten und Schwämme auf totem und lebendem Stamm. Sticta pulmonacea, oft in ausgedehnten Lagern, bewohnte mit Vorliebe die Rotbuche. Vielbuchtiger Parmelien-schorf (P. perforata var. ulophylla) streckt seine concentrischen Lager über die Rinde hundertjähriger Buchen, und auf dem trockenen Moder gefallener Stämme siedelten sich im- kurzen Moospolster die Kolonien der glänzenden Cladonia coccifera var. humilis an, deren abgerundete, convex gewölbte Apo-thecien von kurzen, nach oben hin becherförmig erweiterten Stielen gestützt werden. Silberweiß liegen auf anderen Stellen die blattartig gezipfelten Thalien von Schizophyllum commune auf der Baumrinde. Polyporus versi-color, untenher schön chamoisgelb gefärbt, nimmt andere Reviere, namentlich an Alnus glutinosa ein und sein naher Verwandter, der bleiche, gelbe Polyporus sulfureus, wuchs aus verengter und verdickter Basis hervor. Der häufigste Schwamm an der Eiche ist auch hier Daedalea quercina und auf lehmigem Boden findet sich in Gruppen ein Geaster, jetzt mit sternförmig tief eingeschnittener Hülle von fast schwarzer Farbe der Erde aufsitzend.
In den kleinen aber tiefen Wasserlöchern, welche in nächster Nähe von Batum in großer Zahl vorhanden sind, baut sich Callitriche vernalis eigentümlich, weil seitlich beengt, zu hohen, weichen Köpfen auf und überragt so die Ränder. Solche Köpfe fallen durch ihre Zartheit, ihre abgerundete, aufgeschwollene Form und den bläulichen Schimmer auf. Sie stürzen mit ,dem Abblühen bald zusammen, der feine Bau verfault. Andere, größere Wasserplätze sind ganz von Lemna minor bedeckt. Aus tieferem Grunde brachte die Dragge schon Anfang April Ceratophyllum demersum, Potamogeton pectinatus, verkalktes Myriophyllum und Chara foetida.
Änderungen der ursprünglichen Vegetation der Küstenzone durch die Kultur. Nicht lange mehr wird sich der ursprüngliche Vegetationstypus in der Uferzone erhalten. Zur Zeit der türkischen Herrschaft wurde er kaum durch des Menschen Hand beeinflusst. Damals sah man nur vereinzelt auf den Lichtungen ein Maisfeld und im bescheidenen Obstgarten lag das kleine Haus des Besitzers. Seit 1878 ist das ganz anders geworden. Batum gedieh als Freihafen rasch. Als Welthafen für den Export der Naphtha- [p.135:] produkte von Baku auch dann, als ihm die frühere Begünstigung wieder genommen wurde. Mancherlei Unternehmungen fanden statt, Villabauten, Gartenanlagen und vor allem die Kultur des Theestrauches, der man gegenwärtig seitens der Regierung sowohl, wie auch privatim große Mittel opfert Alles dieses zusammen hat die Küstenphysiognomie schon sehr verändert. Wo man mit dem Stammholz bereits aufräumte, starren uns die kahlen, braungelben Gebirgsgehänge entgegen. Nur wenn sie tief (¾ m) rigolt werden, besiegt man im Boden die Geflechte des Adlerfarns; ohne eine solche kostspielige Arbeit sind Jahre nötig, um ihn durch wiederholtes Abmähen der jungen Triebe nach und nach abzuschwächen und endlich zu töten. An anderen Plätzen bekämpfte man mit Beil und Feuer den Wald. Da bietet sich dem Auge ein ungemein wildes, bizarres Bild dar. In allen möglichen Richtungen geneigt stehen die angekohlten, astlosen Stämme. Manche der Riesen fielen bereits zu Boden. Immer aufs Neue griff sie die fressende Flamme an. Aber im Laubwalde ist ihre Macht bemessen; selbst nach den Sommerhitzen lodert es nicht und kracht nicht im funkensprühenden Geäste. Es schwelt mehr, blauer Rauch hüllt den brennenden Wald dicht ein und selbst bei trockenem Wetter erlischt die Flamme im heißen, hervorquellenden Saft des Holzes, falls die verheerende Hand des Menschen ihr nicht nachhilft und immer aufs neue das Feuer schürt. Die Arbeit ist vollbracht. Noch raucht an einzelnen Stellen der gerodete Boden, auch er ist jetzt schwarz, auf ihm überall das verkohlte Gesträuch und da, wo es ganz verbrannte, graue Aschendecken. Die alten, hohen Smilax-Netze fielen vernichtet herab. Ab:r schon bald schimmert das Braungrün ihres spärlichen Laubes an den jungen Trieben auf düsterer Oberfläche und die unverschämten Wedel des Adlerfarns schießen wieder aus ihr hervor.
Schlussfolgerungen. Bevor ich den Leser in das Delta des Rion zu seinen ungangbaren Sümpfen und Zwergdünen führe, will ich einige Schlussfolgerungen über das bis jetzt besuchte Küstengebiet und das Tschoroch-thal machen:
1. Der überreiche Niederschlag im SO.-Winkel des Pontus kommt nur der unmittelbaren Küstenzone zu gute. In Folge dessen entwickelt sich in ihr eine überaus üppige Vegetation, in welcher zapfentragende Coniferen fehlen und centraleuropäische Baumarten, namentlich die Rotbuche, kolossale Dimensionen erreichen.
2. Das immergrüne Unterholz, vornehmlich durch Rhododendron ponticum, Prunus Laurocerasus und Ilex gebildet, dominiert unten, geht aber, zwar in der Zahl stark abnehmend, bis in die Höhen von 1830 m (6000 r. F.). Rhododendron ponticum ist mit dem spanischen Rh. baeticum als Art identisch und überspringt von W. nach O. in der Gegenwart das gesamte Mediterraneum.
3. Durch das sporadische Auftreten von Arbutus Andrachne, Pinus Pinea, Cistus salviifolius und einigen Genista spec. am mittleren Tschoroch wird man an die mediterrane Flora mehr erinnert, als in der Uferzone, wo durch die [p.136:] kraftvollste Entwicklung der weithin zusammenhängenden Laubholzwälder der Eindruck typischer mediterraner Vegetation total verloren geht.
4. Eine bedeutende Anzahl von Steppenarten durchsetzt, die nasse Küstenzone .überspringend, die zum Teil xerophile Flora im mittleren Tschoroch-thale und erreicht auf dem armenischen Hochlande die Ebene von Ardagan überall da, wo sie trocken ist.
IV. Das Ufer des Pontus von Batum über Poti nach Suchum und weiter über Golowinsk bis nach Anapa |