[Radde, Grundzüge der Pflanzenverbreitung in den Kaukasusländern] Kapitel 4 Abs. II.

II. Drei Durchquerungen der Hauptkette zur specielleren Orientierung über die Wälder.


Von Tuapse zum Nordfuß S. 240. Von Psebai nach S'otschi (Urwälder) S. 240. Von Chassaf-jurt zum Südfuße der Hauptkette (Paliurus-Maquis, Wälder auf Kalkboden) S. 247.



Wir haben nun zur Genüge die kaukasischen Wälder in Bezug auf ihre Ve-breitung, Verteilung, Dichtigkeit und ihre dendrologischen Elemente in Baum und Busch kennen gelernt. Wir stiegen auch bereits in den adshari-schen Wäldern und in denen von Talysch bis zur Baumgrenze, bis zum Rande der subalpinen Wiese. Zur Vervollständigung der physiognomischen Charakteristik der Wälder anderer Plätze im Kaukasus will ich .nun das Gebirge dreimal durchqueren. Einmal im Passe von Tuapse (Goitch), dann im Quellgebiete des Kuban (kleine Laba) nicht weit vom Fischt zwischen der Kosaken-Staniza Psebai im N. und dem Städtchen S'otschi im S. am Meere. Endlich zum dritten Male weit östlich davon entfernt, von Chassaf-jurt ausgehend zur hohen Vorkette des Chanakoi-tau, dann seitwärts über Gunib und Chunsach durch das alpine Quellland des S'ulak zum S'amur und endlich westlich am Schah-dagh vorbei über den Kamm fort zur steil einstürzenden Südfront des Kaukasus und in enger Bumschlucht zum Kurathale. Bei .dem zweiten Gange werden wir den Wald in vollster Urkraft, da wo er gegenwärtig noch vom Wisent (Auerochsen) bewohnt ist, kennen lernen, bei dem [p.240:] dritten dagegen seine Abschwächung gegen Osten, sein sporadisches Auftreten und sein allmähliches Verschwinden. Überdies wird bei diesem letzten Gange, auch ohne die alpine Kräuterflora in den Kreis unserer Betrachtungen zu ziehen, diejenige der daghestanischen Kreidekalke in tieferen Lagen erörtert werden müssen, da sie sich wesentlich von der auf anderem Bodengrunde entwickelten unterscheidet.

1. Von Tuapse zum Nordfuß. Es war zur Hochsommerzeit. Vom Meere im Thale von Tuapse kommend, bot mir die zweimalige Passage über das Gebirge (420 m = 1400 r. F.) in botanischer Hinsicht nichts Erwähnenswertes. Die Paliurus-Maquis verloren sehr bald an Kraft, ebenso Clematis Vitalba, und im Busch und Niederwald herrschten beide Carpinus-Arten vor, die Rotbuche war selten. Erst an der Nordseite, im Thale des Pschisch, welches sich in seinem oberen Teile sehr allmählich gegen O. senkt, wird man durch eine außerordentlich üppige, gemischte Steppen- und Wiesenflora entlang den Waldrändern überrascht. Lauter robuste Formen, nicht exklusiv der ebenen Steppe angehörend, bedeckten in so enger Anordnung die Thalsenkungen, dass sie nach dem Absterben als wahre Burianwälder gelten können. Dipsacus laciniatus, Verbascum thapsiforme, Alcea ficifolia, Echinops Ritro (?), vor allem aber Inula Helenium und Cephalaria tatarica, 7—8 Fuß hoch, bauten förmliche Dickichte auf. Die niedrigen Papilionaten, wie Dorycnium, Psoralea, Coronilla, Medicago und Trifolium hatten schon abgeblüht. Umrandet wurden solche weitgedehnten Strecken von mehr oder weniger zusammenhängenden Paliurus-Maquis, an welchen die vielen runden, hellgelben Früchte besonders auffielen. Hier überall weithin Eichenwald, oft ganz rein und gesund, von dem ich oben schon sprach. Erst wenn man sich weiter östlich, im Gebiete der Bellaja ganz nach N. wendet und bei Maikop (115 m = 380 r. F.) über dem Meere die letzten Auswallungen des Gebirges erreicht, sind die Zauber jener klaren Eichenwälder geschwunden. Heiß, staubig, schattenlos dehnt sich die schwachhügelige Fläche vor uns hin, gegen N. unbegrenzt, gegen O. von den stets hohen rechten Ufern der Kubanzuflüsse bis tief ins Flachland scharf eingekantet. Verhältnismäßig hatte die Steppe, welche hier zur Kategorie der besseren schwarzerdigen zählt, sich gut erhalten. Sie erschien entlang dem äußersten Gebirgsfuße mehr grün als grau, nur an den Wegen war alles grau, verstaubt. Da standen Schuttpflanzen, Onopordon, Datura, Hyoscyamus, Leonurus, Marrubium, da folgten, wie gebannt an die Straßenränder, beide Xan-thien, und Polygonum aviculare wucherte rasenbildend, seitwärts davon Fal-caria, Alcea, Scabiosa und überall blühendes Cichorium.

2. Von Psebai nach S'otschi (Urwälder). Mit dem Eintritt in das Labathal, dessen geräumige, linkerseits entlang dem Flusse gelegene Niederungen ergiebigsten Ackerbau und Heuschlag gewähren, verschwinden bei reichlichem Wasser und ausgedehnter Kultur die Steppencharaktere nach und nach. Sie treten aber da, wo die Kultur fehlt, und auch auf den Brachfeldern weitaufwärts im Thale wieder auf, überall da, wo genügendes Flachland vorhanden ist, und dann gemischt mit manchen anderen Formen. Schon bei [p.241:] (720 m, 2400 r. F.) hatte ich Gelegenheit, mich davon im Nebenthale (kleine Laba) zu überzeugen. Hier erreichten die meisten Pflanzen, deren Standorte nicht gerade auf nacktem Geröll gelegen, erstaunliche Größe. Geschlossene Gruppen von Lappa tomentosa umstehen ein wahres Dickicht von Beifuß, seltener Wermut und Artemisia scoparia. Fadenhoch schoss Althaea cannabina hervor in spirriger, weitläufiger Verästelung mit den endständigen großen rosafarbenen Blumen, mit den wenigen, mattgrünen Blättern. Dazu gesellen sich gemeine Centaurea phrygia und C. maculosa, auch 1 1/2—2 m hoch. Die Ränder der seit dem letzten Hochwasser zurückgebliebenen Lachen (jetzt abgeklärt) sind von Mentha silvestris, Epilobium tetragonum, von Scu-tellaria galericulata und Stachys palustris umstanden, ein wenig höher beherrscht Tanacetum vulgäre (Boiss. unter Pyrethrum) größere Plätze, jetzt im vollen dottergelben Blütenschmuck. Wo zwischen dem gröberen Gerolle der angeschwemmte Boden noch leidlich haftet, siedelte sich das stattliche Eryngium giganteum an. Zu ihm gesellte sich auch E. coeruleum und überall das lästige E. campestre. Dann sehen wir wieder Kolonieen vom gemeinen. Seifenkraut (Sap. officinalis) von Erigeron canadense, von 2 Fuß hoher Verbena offici-nalis und Verbascum nigrum und am meisten erfreut uns Oenothera biennis, die im Kaukasus gar nicht häufig ist und von BoiSSIER nicht aufgeführt wird. Auf noch ärmerem Boden wurzelt Myricaria germanica und an den Rändern der Sümpfe bedeckt als Zwerg unter allen den genannten Riesen Cyperus flavescens den abgesetzten Sand. Manche der genannten Arten bleiben dem Flachufer der Laba auch weiterhin oberhalb so lange erhalten, bis Hochwasser sie fortschwemmt. -Mit der Verengung des Thaies, schon 12 km oberhalb Psebai, werden sie an der schmalen Furt nur noch selten gefunden.

Nun treten wir in geschlossenen Hochwald, nur Laubhölzer bilden ihn. Der Fluss hat einen meridianen Lauf. Seine nach O. gekehrte Thalwand ist steiler, lichter beholzt, bisweilen fällt sie als kahle Kalk- oder Sandsteinwand ein. Rechterseits folgt Kuppel auf Kuppel in sanfter Senkung, nach Westen offen, ununterbrochen mit Laubholz und zwar fast ausschließlich mit Eichen bestanden. Im Unterholz spielt die Hasel die Hauptrolle. Die Einförmigkeit dieser Waldvegetation wird nur an den Felsen vorteilhaft unterbrochen. Seseli petraeum sucht die nackten Fronten der dünn geschichteten Kalke, in deren Risse die ausdauernde Wurzel tief eindringt. Weniger wählerisch in Bezug auf den Standort ist Campanula latifolia, sie und C. alliariifolia schmücken jetzt in voller Blüte auch den Sandstein. In ihrer Nähe sehen wir die fleischigen Rundpolster von Sempervivum tectorum; es verbreitet sich, weithin kriechend, das reichblütige Sedum spurium über das Gestein. Wildobst, namentlich stumpf pyramidal wachsende Birnen, machen sich durch dunkle Laubfarbe an den Gehängen bemerkbar. Dem Flusse und den seitlichen Schluchten folgend, werden beide Erlen (A. glutinosa und A. incana) gleich häufig beobachtet. Acer campestre und A. tataricum sind im Haselbusch, der am häufigsten ist, eingesprengt. Nirgends eine süße Kastanie, nirgends die Brombeerdschungel oder einer der Schlinger der Südseite. Nur Hopfen klettert im Busch und höher [p.242:] hinauf (in 900 m = 3000 r. F.) wird es Clematis, der es unten wohl zu heiß und zu trocken war, wohler, aber sie bleibt in den Grenzen mittelhoher Guirlanden-dekoration und zieht nicht die langen, grauen Seile ihrer alten Triebe bis hoch in die Bäume hinauf. Erst auf der Höhe von 1220 m (4000 r. F.) bemerkt man im Gebirge vom Thale aus die Nordmannstanne. Bevor wir drese Höhe als tiefste Grenze für Abies Nordmanniana in der Sohle des ganz verengten Labathales selbst ersteigen, muss ich noch einer seitwärts in das Gebirge gemachten Exkursion gedenken. Es galt da ein kleines Wasserbaiäsin aufzusuchen, in welchem Triton vittatus lebte, und wir hatten nicht nur das Glück, diese Art zu rinden, sondern auch gute botanische Beute zu machten. Eben an dieser Lokalität (1000 m = 3300 r. F.), die durch Feuchtigkeit des Bodens sehr begünstigt wurde, zeichnete sich die Krautflora durch ungewöhnliche Kraft aus, sie lieferte wiederum dafür den Beweis, dass das Maß des Wassers für den physiognomischen Ausdruck der Vegetation wesentlich bestimmend ist. Zwischen dem 5—6 Fuß hohen Gebüsch der nordischen Ulmaria palustris (Spiraea Ulmaria) stand fast gleich hoch Mulgedium Bougaei mit fußlangen, breit ausgelegten Blütenständen. Überragt wurden beide von Tele:kia speciosa, deren einzelne Blütenköpfe mit den langen schmalen Zungen der Randbluten reichlich 3 Zoll Durchmesser haben. Zwischen dem dunkeln, aber doch leuchtenden Grün ihrer großen Blätter strebten die Blütenstände der Valeriana officinalis hervor und Cephalaria tatarica übertraf sie alle, in fast 3 m Hohe schaukelten sich auf den schlanken Stengeln, immer weit von einander getrennt, ihre schwefelgelben Köpfe. Dazu kamen noch vier hochstrebende Um-belliferen: die gut belaubte Angelica silvestris, Ligusticum elatum, Anthriscus nemorosus und eine großblütige Heracleum-Art. Nicht so hoch, aber ebenfalls in lichteren Massiven schlössen sich ihnen Senecio nemoralis, Centaurea steno-lepis, Veronica longifolia, 2 Fuß hohe Ulmaria Filipendula an, zwischen ihnen Seseli Libanotis und Fenchel. Der nahe trockene Wiesengrund wurde fast ganz von Rhinanthus crista-galli bedeckt, aber er lieferte uns als Neuheit 'Ra-nunculus Sommieri var. elata und R. acutilobus. Nahe am Waldrande prangte Salvia glütinosa im vollen Blütenschmuck. Auch das Wasser lieferte außer den Tritonen eine erwünschte Pflanze, es war Potamogeton pusillus.

Dergleichen ausdauernde Stauden in engster Gruppierung sind im westlichen Kaukasus bis zur Baumgrenze überall da zu finden, wo entweder Quellengrund vorhanden ist oder wo in größeren Höhen sich der hocheingeweihte Schnee sehr lange im Frühling erhält, während des Tauens die Wurzelstöcke im Humusboden beständig netzt und dann die zuerst zurückgehaltene Pflanze unter der Sommersonne freigelegt, kräftig und sehr rasch treibt. Ich werde auf solche Lokaltypen der Flora noch zurückkommen, hier in den tieferen Lagen sind sie von ganz besonderem malerischem Reiz, ebensowohl durch die kräftigen Farbentöne der üppigen Blattunterlagen, als auch durch das Colorit der meisten großen und reinfarbigen Kronen.

Nach dieser seitlichen Abschweifung befinden wir uns wieder im engen Labathale, immer wilder wird es, immer steiler sind seine Wände. Hoch über [p.243:] uns an den Fronten verrotteter, oft toter Nordmannstannen-Wald, flechten-bebartet, schmal beästet, dazwischen Windbruchstellen. Je höher wir steigen, um so mehr nimmt die Eiche an Zahl ab und um so bunter wird der Mischwald. Schirmende Rotbuchen stehen vereinzelt da, dann gesellschaftliche Car-pinusbestände, Weißbirke und Acer platanoides lassen sich sehen, aber A. Trautvetteri, die lange verkannte kaukasische Ahornart, welche die Zone der Baumgrenze an vielen Stellen charakterisiert, tritt nur selten in so geringe Thalhöhen (1050—1220 m = 3500—4000 r. F.), Linden, Eschen und die beiden Erlenarten begleiten uns; dazu beide Viburnum, die Eberesche, Evonymus, auch seltener ein Xylosteum-Gebüsch und abgeblühter Philadelphus. Dagegen bemerke ich nirgends Ligustrum oder Taxus, sowohl Vaccinium Arctostaphylus wie auch Rhododendron ponticum wurden erst am nächsten Tage gesammelt.

Im tiefen Schatten auf sandiger, kleiner Uferebene stehen schlank die Stämme beider Alnus-Arten, fast an jedem derselben Hopfen. Ihnen zu Füßen das empfindliche Impatienskraut, 2—3 Fuß hoch, dicht gestellt, den Sonnenschein meidend. Der scharfe Geruch von Geranium Robertianum erfüllt die Luft seiner Standorte; wo die gesellschaftlich lebende Pflanze im Schatten wächst, legt sie sich flach auf den Boden und reckt die roten Blütenstengel hoch auf. An solchen Stellen im Vollschatten verpestet die Ausdünstung einer großen, weißen Julus-Art (J. foetidissimus) empfindlich die Luft 'durch amraoniakalische Dünste. Seitwärts am lichtvollen Rande, wo die beruhigten Wasser glatt hinfluten, gruppierten sich halb zusammengeklappte, große Blätter in Tellerformen von Petasites officinalis, aus deren schattigem Untergrunde sich Tanacetum und Eupatorium cannabinum erheben. Man gelangt bald auf eine ehemals bebaute, jetzt verwilderte Stelle, wo früher ein Militärkommando stand. Jetzt sah man nur einen Trümmerhaufen, mannshoch überwuchert von Brennesseln und Rumex, die beide so gerne dem Menschen in die Öde der wildesten Gebirgsnatur folgen, sobald er sich dort zeitweise aufhält, Nunmehr steht die erste Picea orientalis vor uns unten im Thale. Die Art ist im Laba-Gebiete viel seltener, als die Nordmanns-Edeltanne, welche ihr bald in ca. 1080 m (3600 r. F.) im Thalbette folgt; erst später, d. h. höher, stießen wir auch auf Pinus silvestris. An den Steilgehängen hatten sich die Stauden von Aruncus geneigt, an ihren Blütenständen reiften die Samen. Mannshohes Aconitum Orientale, dieselben oben schon genannten Stauden, dazu Campanula lactiflora, auch Epilobium angustifolium füllen gedrängt die schmalen Halden am Steilgehänge, manche von ihnen streifen das Antlitz des Reiters, wenn er hoch zu ross sitzt. Im Halblicht der Waldränder steht Lilium monadelphum, Valeriana alliariifolia, dort baute auch Onoclea Stru-thiopteris die regelmäßigen Trichter mit ihren meterlangen, zart gefiederten Wedeln auf, aus deren Centrum bei alten Stöcken die fußlangen, dunklen, fertilen Blätter hervortreiben. Nirgends hier eine Spur von Adlerfarn, Pteridium.

Im vollschattigen, schweigsamen Hochwalde, gemischt aus beiden Tannen, die hier unten aber noch schwach bleiben, mit Rot- und Weißbuchen, Rüstern und Acer platanoides, ab und zu auch schon A. Trautvetteri, übersteigt man, [p.244:] immer auf linker Labaseite bleibend, die in schroffen Caps einstürzenden Uferhöhen. Nur das Tosen der unten hinstürzenden Wasser lärmt zu uns hinauf. Erst auf dem freien Platze Umpir, hart an der linken Uferseite gelegen (1080 m = 3600 r. F.), nimmt mit der Lichtung die Wildnis ein wenig ab. Der sandige Schlemmboden trägt eine magere Flora. Epilobium angustifolium und E. Dodonaei blühen, am Boden kauern Feldkümmel, Coronilla, Lotus, dazwischen bescheidene Gruppen von Geranium sanguineum und Melampyrum pratense. Lichter Kiefern-Hochwald besteht den Platz, er erhält sich auch noch eine geraume Zeit bei dem weiteren Anstiege im Nebenthale, bis er von Abies Nordmanniana in einem jener festgeschlossenen Komplexe abgelöst wird, die durch die kolossale Kraft dieser Edeltanne die höchste Bewunderung erregen. Bevor wir jedoch in diese treten, muss ich der hohen Berglehnen am rechten Ufer der Laba erwähnen, die gegen SW. gekehrt nichts von den dunkeln Farbentönen der Zapfenbäume besitzen, vielmehr im freudigsten Hellgrün der unbe-weideten Bergmatten uns anlachen. Unten stehen darauf noch gute Eichenwälder, nach oben hin werden sie lichter und verschwinden schließlich ganz; sodann sieht man Birkengruppen. Auf solchen Hochwiesen kommt wilder Roggen, Secale montanum so häufig vor, dass er früher von den Tscher-kessen als Brodpflanze benutzt wurde. Ich fand ihn auch später bei der weiteren Reise über die Wasserscheide zum Uruschten in Höhen von 1500 bis 1800 m (5—6000 r. F.j, aber immer nur auf sonnigen Plätzen.

Im schärfsten Gegensatze zu solchen offenen Abhängen steht der dunkelste Tann, total beherrscht von den Riesen der Abies Nordmanniana. Er besteht am liebsten die Südfronten. Der Wald wird immer stiller und dunkler, das Unterholz verschwindet fast ganz, hier und da behauptet vereinzelt Acer Traut-vetteri, schon durch die rotbraune, abschülfernde Borkenrinde erkennbar, als Hochstamm seinen Platz, ab und zu eine schwächliche Weißbuche oder eine Birke. Im Vollschatten der geschlossenen Tannenreviere kann nichts recht aufkommen, weder Regen noch Licht dringen zum Boden. Derselbe ist trocken, eine dicke Lage von braunen platten Nadeln der Nordmannstannen bedeckt ihn unter den Bäumen. Der melancholische, einsilbige Pfiff etlicher Dompfaffen (Pyrrhula rubicilla) lässt sich in der unheimlichen Stille vernehmen. Die Tannen haben i —1'/2 m, selten mehr, Stammdurchmesser, streben, nahestehend, bis 50 m auf, alle sind sehr regelmäßig, schmal walzenförmig, fast stumpf cypressenartig gebaut. Die meisten dieser kolossalen Bäume sind überstanden, halb tot, viele schon Leichen; Windfälle sind selten, aber Sturzholz viel. Der Sturm kann an so geschützten Plätzen den Wald nicht packen, aber wo Fäulnis ein halbes Jahrhundert am wurmstichigen Riesen fraß, da stürzt er endlich, zum Teil vermodert, gelegentlich zusammen. Deshalb auch die ganz unregelmäßigen Falllagen, was bei vernichtendem Winde nicht stattfindet. In solchem nächtlichen Hochtann hat der Wisent (Auerochs) seine Ruheplätze: Er lebt an den Oberläufen der Bellaja, der beiden Laba und des Seientscheck noch in geringer Kopfzahl, geht einzeln und in kleinen Trupps von 4—7 Individuen und tritt ausnahmsweise auch auf die Südseite des Gebirges über.

[p.245:] Ich will hier nicht eingehend die Hochwiesen erörtern, welche wir erstiegen, um auf eine Freiung im oberen Uruschten-Thale zu gelangen. Diese Wiesen sind zwar in der Komposition ihrer Flora und im Kolorit entzückend schön, aber ihre hohe Lage bedingt das Eingreifen vieler subalpiner Formen, die wir gesondert betrachten werden. Nur das sei erwähnt, dass in diese hellgrünen Triften die Coniferen entlang den eingesenkten Quellengerinnen gleich breiten, schwarzen Streifen einschneiden und sich an den äußersten Grenzen des Baumwuchses in rund 2130—2200 m (7000—7200 r. F.) locker zerstreuen, immer als Hochstämme, ohne Knieholz und bei der hier südlichen Exposition auch ohne zusammenhängende Bestände von Rhododendron cau-casicum. Picea orientalis steigt höher hinan als Abies Nordmanniana.

Von diesen Hochwiesen steigen wir abwärts zum erwähnten Uruschten. Er ist eines der wildesten, wasserreichsten Bergwasser, welches die Laba und somit den Kuban ernährt, sein Mittellauf und Unterlauf sind ungangbar. Himmelhohe Steilwände packen ihn beiderseits in enger Schlucht. Ein Einblick dorthin von unserer Freiung am linken Ufer bot das Bild wüstester Zerstörung im überstandenen, zum größten Teil schon toten Tannenwalde. Sturm und Feuer hatten hier gehaust und vernichtet. Die fast durchgängig toten, hoch aufgereckten Riesenstämme der Nordmannstannen tragen das morsche Astwerk, wo es noch hält, ganz in zottigen, bleichen Flechtenpelz gehüllt. Nirgends junger Nachwuchs. Schwarz angekohlt stehen andere in ihrer Nähe; dann kommen wieder Plätze, auf denen hingestreckt in parallelen Lagen der Wind die Stämme bettete, oder wo sie noch wilder und durcheinander geworfen den wirbelnden Gebirgscyklonen verfielen und im krachenden Fall ein unentwirrbares Chaos aufbauten. So geschieht es auf den exponierten Zinnen der schartigen Höhen dieser Ufergebirge am oberen Uruschten. Dagegen bot unsere nächste Umgebung in der klaren Uferebene ein freundliches und friedliches Bild dar. Einzelne Kiefern standen da am Ufer, junge und alte, die letzteren in den Kronen schirmförmig ausgelegt und ihnen zu Füßen viel lichtes Birkengebüsch. Nur im Bache selbst, der jetzt kleines Wasser führte, sah man überall die Spuren seiner Macht bei Hochwasser, da spielt er mit den centnerschweren Felsblöcken wie mit Bällen, da hebt er die gestürzten Stämme oft kopfüber; sie versanken zu aufgetürmten Rosten, an denen die heranschießenden Wogen machtlos verspritzen. Ein Erdrutsch vom nahen Hochufer deckt gelegentlich das feste Holzgerüst zu und der Bach wird gezwungen, sein Bett zu verlegen und seitlich abwärts zu wandern.

In pflanzengeographischer Hinsicht wird das obere Uruschtenthal für Rhododendron caucasicum und Vaccinium Arctostaphylos wichtig. Beide Arten standen gemeinschaftlich als niedriges Unterholz in ca. 1670 m (5500 r. F.) über dem Meere im Tannenwalde, in ihrer Nähe auch geringer Taxus.

Auch der weitere Aufstieg im Uruschten-Quellthale ist stellenweise schwierig, so lange man im Walde bleiben muss oder auf mürben Schrof-fungen zu wandern hat. Dort wucherte Hasel- und Erlengebüsch im Vereine mit beiden Ahornen (A. platanoides und A. Trautvetteri) zu undurchdring- [p.246:] lichem Dickicht von 5—12 Fuß Höhe, welches im Winter von den Schneemassen niedergedrückt wurde. Um dort zu passieren, mussten Durchhaue gemacht werden. Auch die Windfälle der Tannen, welche uns oft den Weg verlegten, mussten mit dem Beil bezwungen werden, denn rechts von uns tobte der Wildbach, links hob sich die Stellung ungangbar für die Pferde im rutschenden Schieferschurf und wenig höher hafteten lange Schneezungen. Zwischen den gestürzten Stämmen kündete Ligularia sibirica die subalpine Zone an. Vicia truncatula und Silene fimbriata blühten und an den beiden Ribes-Arten solcher Orte (R. petraeum und R. alpinum) gab es reichlich Beeren. Versteckt unter modernden Sturzstämmen standen Gruppen von Equisetum palustre und auf kahlem Felsen lagerte Juniperus sabina.

Die letzten Schwierigkeiten waren mit der Baumgrenze überwunden. Freien Fußes durchwandert man die offenen, untersten alpinen Wiesen, bunt, blumenreich, unentweiht. In 12 km Entfernung liegt die leicht gewölbte Passhöhe des granitischen Pseaschcha 2100 m (6900 r. F.), der wir zueilen. Beiderseits übergipfeln sie die zerklüfteten Riesenzähne des Kammes. Dunkle Urschiefer schießen tiefer oft senkrecht ein. Verhageltes Gebüsch von Rhododendron caucasicum besteht die schmalen Stufen und SchrorTungen. Aber erst am SW.-Rande dieses Passes, der N. und S. trennt und zur Msymta führt, werden wir durch den plötzlichen Wechsel der Landschaft und Vegetation überrascht. Ich will hier nicht von der geographischen Orientierung und den Umrissen des Gesamtpanoramas sprechen, es geschah das an anderer Stelle (PETERMANN's Mitteilungen, Ergänzungsheft 112). Nur die Farbentöne des fernen Hintergrundes seien erwähnt, weil sie als zarter Fond für das majestätische Vegetationsbild dienen, welches unmittelbar vor uns in der Tiefe liegt. Jene luftig bläulichen Töne am äußersten Horizont gegen SW. deuten den Spiegel des Pontus an, daran schließen sich ganz allmählich, hell und warm die grünen Farben der Uferwälder, zuerst noch verschwommen, unsicher in den Umrissen, dann im Mittelfelde der großartigen Waldlandschaft schon intensiv, deutlicher in der Zeichnung, immer hell, wo die Eiche herrscht, hier und da uns noch näher angedunkelt durch das häufigere Auftreten der Rötbuche. Nun noch näher in Gruppen unregelmäßiger Umrandung geschieden, mit jenen abgerundeten Höhenumrissen einzeln absetzend, welche den Kronen alter Buchenwälder so eigentümlich. Und'nun! Direkt vor uns in gähnender Tiefe ein riesiges, fest umschlossenes Feld, mehr schwarz als grün in der Grundfarbe, bei vollem Sonnenschein obenher wie in ein funkelndes Silbermeer getaucht. Das ist ein gesunder, alter Wald von Abies Nordmanniana, dessen Stämme ein Alter von 200—350 Jahren haben. Er kommt nicht hinauf zur Passhöhe, diese erstreben seitwärts etliche Rotbuchen, aber unten im eingestürzten Trichter der einen Msymta-Quelle zieht die Nordmannstanne in ca. 1830 m (6000 r. F.) Meereshöhe mit scharfen Linien die Baumgrenze. Dicht gedrängt bauten sich die reinen Bestände dieser geschlossenen Coniferenwälder weiter thalwärts überall auf. Aufrecht steht Koloss neben Koloss, man hat einen offenen Riesentrichter vor sich, dessen gerundete Wände regelmäßig dicht [p.247:] sind mit schwarzen, senkrecht gestellten Walzen, eine wie die andere gegen 50 m (160 r. F.) und darüber hoch. Ihre Stammachsen spannen i—2 m, die Durchmesser ihrer äußeren Mäntel kaum das Drei- oder Vierfache. In größter Regelmäßigkeit bauten sie sich im Verlaufe von 3—4 Jahrhunderten auf, alle unter den gleichen Bedingungen mit derselben urwüchsigen Kraft und in derselben Form. Und merkwürdig! die blendende Lichtfülle des Tagesgestirnes, welche vom Zenith auf diesen schweigenden Komplex uralter Nordmannstannen prallte, verlieh nur den äußersten Kronen einen spielenden Silberschein. Von unten aus ewiger Nacht hellte es sich nach oben hin wohl allmählich etwas auf, aber nirgends konnte die Sonne wirklich machtgebietend durchdringen. Dagegen wurden die Kronen, sehr eng im Geäste und stumpfspitzig geformt, voll beleuchtet. Nun aber treiben so alte Bäume sehr .langsam, die oberen jüngsten Äste der letzten 20—30 Jahre stehen ganz nahe in Quirlen über einander, sind an den Spitzen etwas eingebogen und tragen da die aufrechtstehenden, halb ausgewachsenen Zapfen. Durch diese eigentümlichen Krümmungen der oberen Triebe wird die untere Seite der flachen und breiten Nadeln dem Lichte zugekehrt, und da jede derselben zwei weiße Längslinien besitzt, die den vollen Sonnenschein auffangen, so glitzert die gesamte Krcnendecke als Ganzes im Silberglanze und dieser ruht, allmählich nach unten abgeschwächt, auf dem gleichmäßigen tiefen Dunkel des Waldes, dessen Farbenton entschieden mehr schwarz als grün ist.

Dies ist in botanisch-physiognomischer Hinsicht der Glanzpunkt auf unserer Reise. Nach steilem Abstiege bewegen wir uns während mehrerer Stunden auf einer wenig geneigten Ebene, die ohne Unterbrechung nur von uralten Nordmannstannen bestanden ist. Mit dem Westrande derselben zieht sie wiederum ganz scharf in 1265 m (4150 r. F.) Höhe hier die lokale Grenze ihres Vorkommens in der Vertikalen.

Über die nun folgenden gemischten Laubwälder, in denen oben die Buchen, wenig tiefer und bis zum Meere Eichen und Carpinus vorherrschen, in denen Ahorn, Rüster, Eschen und Linden eingesprengt vorkommen, darf ich, Wiederholungen vermeidend, schweigen, aber das Vorkommen von der durch LlPSKY 189.2 entdeckten Dioscorea caucasica am mittleren Msymtalaufe bei der Esthen-Kolonie will ich doch konstatieren. Am 9. August 1893 waren die großen dreiflügligen Samen an den Traubenständen fast reif.

3. Von Chassaf-jurt zum Südfuß der Hauptkette. (Paliurus-Maquis, Wälder auf Kalkboden.) Weit östlich von den Kubanquellen, schon nahe dem SO.-Ende des Kaukasus, machen wir, diesmal Ende Juni, unsere letzte Exkursion in die Wälder der N.- und S.-Seite quer über die Hauptkette bis zur Kura. Im Räume bei weitem beengter und in der Zusammensetzung artenärmer durch das absolute Fehlen der Coniferen, werden diese Wälder, obwohl die Entfernung vom N.- zum S.-Fuße des Kaukasus reichlich dreimal so groß ist, als die eben im Kubangebiete zurückgelegte, in meiner Schilderung viel rascher erledigt werden. Sie fehlen nämlich, wie wir schon wissen, auf weite Strecken hin ganz, bilden nur im Mittelgebirge bedeutende, [p.248:] zusammenhängende Bestände, werden dann in Höhen von 1500 —2150 m (5—7000 r. F.) auf sporadische Flecken reduziert, erreichen die Kammhöhe auch in den Pässen nicht, treten keineswegs an der S.-Seite in der westkaukasischen Üppigkeit auf, um endlich am Rande des Kurathales in den Paliurus-Maquis ebenso zu verschwinden, wie sie in ihnen mit dem Hochbusch am N.-Fuße begannen.

Eben diese Paliurus-Maquis, welche im weiten Umkreis Chassaf-jurt umgeben, dienen uns als Ausgangspunkt unserer Exkursion. Schon bei Gelegenheit der Schilderungen auf der Strecke von Tuapse-S'otschi und im ersten Kapitel habe ich dieses stachligen Strauches gedacht. Er hat im Kaukasus die allerweiteste Verbreitung, ebensowohl entlang dem Fuße beiderseits des Hauptgebirges, als auch an der N.-Seite des armenischen Randgebirges im Kura- und Araxesthale bis zu 1370 m (4500 r. F.) [Anm.#1:Noch wenige Kilometer unterhalb von Mleti giebt es in reichlich 1370 m (4500 r. F..) kleine Paliurus-Gruppen.]. Im fetten Lehm wächst der Stechdorn am besten, nimmt aber auch mit trockenen, steinigen Gehängen, ebensowohl auf Schiefer- als Kalkboden vorlieb, geht bis auf den Dünensand und wird in nassen Gegenden seltener, ohne ganz zu verschwinden, weder im kolchischen noch im südkaspischen Gebiete. Am besten kann man die Reinheit und die Ausdehnung der Paliurus-Maquis im Frühjahr beurteilen, sie belauben sich nämlich sehr spät. Wenn schon alles Gebüsch im frischen Grün prangt und an den Gehängen bereits viele Frühlingspflanzen blühen, bleiben die Paliurus-Gebüsche grau und winterkahl und zwar zeichnet derartige Bestände ein Farbenton aus, der leicht ins Bräunliche zieht. Auf der ganzen Strecke von Tiflis bis Mleti 450—1490 m (1500—4900 r. F.) waren die Paliurus-Maquis am 7. Mai 1894 unten kaum im Saft, oben in voller Winterruhe. Am N.-Fuße des Daghestans, wo wir uns jetzt befinden, nimmt der für die Landwirtschaft so lästige Strauch von W. nach O. an Häufigkeit zu. Von Wladikawkas ausgehend beobachtet man ihn bis zum Argunj verhältnismäßig wenig, dann aber wird er sehr gemein und steht entlang dem Gebirge im offenen Kampfe mit strauchender Eiche, Crataegus und Cornelkirsche. Von Zeit zu Zeit erfrieren in exceptionell harten Wintern die letzten Triebe an Paliurus, auch das jüngere Holz leidet. So sah ich den Stechdorn auf weiten Strecken auf- und abwärts von Chassaf-jurt mitten im Sommer frosttot, grau, in Folge des strengen Winters von 1888—89. Die niedrigen jungen Exemplare hatten seit jener Zeit kräftig aufs Neue aus der Wurzel getrieben, die älteren seitlich am alten Holz, obenher blieb oft bis zur Hälfte das Gebüsch tot. Aber es fiel mir auf, dass, wenn auch die meisten Gebüsche so gelitten hatten, so doch nicht alle. Einige Individuen waren widerstandsfähiger als andere gewesen, wahrscheinlich weil sie bei kräftigerem Wüchse die Verholzung früher zeitigten. Auch muss ich melden, dass im Gebirge kein solcher Schaden bemerkt wurde, was die geschütztere, wenn auch höhere Lage veranlasst haben mag. Chassaf-jurt und überhaupt der östliche [p.248:] Nordfuß des Gebirges liegt gegen N. und NO. ganz ungeschützt (siehe Steppenklima).

Der häufige Regen, welcher fast täglich gegen Abend, aus SW. kommend, den äußersten Fuß des Gebirges genetzt hatte, förderte auch die Flora der Maquis. Im dichtgedrängten, ungangbaren Paliurus-Gebüsch, welches jetzt zu blühen begann, hatten sich manche Stauden und Krauter mit Vorliebe angesiedelt und alle, die sich unter seinen Schutz begaben, waren schmuck und wohl erhalten, weil der bestachelte Strauch selbst dem Maule der gefräßigen Ziege den Weg ins Innere verlegt. Es war das eine, gemischte Flora, sie wies Steppen- und Waldformen, in der Nähe des Ortes sogar Schuttpflanzen auf. Phlomis tuberosa, Ph. pungens, Marrubium peregrinum, Leonurus, hier und da Gypsophila paniculata, dann leuchtend gelb blühendes Galium verum, hatten sich auf das vorteilhafteste entwickelt. Das haftende Galium Aparine suchte den Stechdorn mit Vorliebe auf und kletterte in seinem Geäst. In den Lichtingen stehen gewöhnlich etliche Exemplare von der dottergelbblühenden Bunias orientalis. Schon erschlossen einzelne Köpfe von Centaurea orientalis ihre schönen Blüten, aber von den hohen Valeriana-Stauden (V. off.) hatte bereits der heftige Ostvvind die beschopften Achaenen verweht. Wenig weiter war das Gemisch der Pflanzen etwas anders. Draußen auf den freien, trockenen Stellei, zwischen den Paliurus-Gebüschen, waren Xeranthemum und Nigella arvensis, auch weißfilzige Stachys germanica geblieben. Aber 4 Fuß hohe Scabiosen (S. ochroleuca) samt Chaerophyllum bulbosum, Pyrethrum corym-bosurn, Tordylium maximum, dazu auch bisweilen robuste Crepis rigida standen gerne im Busch, in welchem Cynanchum acutum den kräftigeren Schlinger, Lathyrus silvestris den schwächeren repräsentierte.

Den reinen Paliurus-Beständen schließen sich nicht weniger dichte, gemischte von Cornus mascula, Crataegus und Eichen, ab und zu auch Pirus elaeagnifolia an, welche zuerst den Stechdorn noch dulden, dann ihn verdrängen. Vielleicht aber findet auch das Gegenteil statt, vielleicht erkämpft Paliurus den Busch. Um das zu entscheiden, muss man längere Zeit an einem Platze bleiben. Die genannten Gebüsche, obwohl nicht bewaffnet, bilden bei 10 bis 15 Fuß Höhe undurchdringliches Dickicht. Seitlich davon wogte gewöhnlich der Winterroggen, in welchem zwar Agrostemma Githago häufig, aber keine Kornblumen vorkamen. Zwei andere, sehr auffallende Pflanzen lieben den gelockerten Boden der Saatfelder. Die hochragende Centaurea Scabiosa schaut immer vereinzelt mit ihren violettroten Köpfen aus dem Ährenmeer hervor. Ebenso erhoben sich die kugelrunden, festgebauten Blütenstände von Allium rotundum in gleichem Farbentone ein wenig aus der Saat.

Mit dem Eintritt in das verengte Aktaschthal verändert sich das landschaftliche und mit ihm das botanische Bild. Beiderseits steil einstürzendes Kalk- und Schiefergebirge, dessen Flanken und eingerissene Engthäler zum Teil uit Laubholz bestanden sind. Nirgends ein Zapfenbaum, auch Juniperus wird vermisst. Die Eiche in beiden Arten (Q. sessiliflora und Q. pedunculata) dominiert, die Rotbuche fehlt unten noch, herrscht dagegen oben. Carpinus [p.250:] Betulus, Acer campestre, Rüstern, Espen, Eschen und einzelne Wildkirschen sind vorhanden. Überall viel Wildbirnen, die man schont und sogar auf den Ackerfeldern einzeln stehen lässt. Sie kommen, soweit es Wald giebt, überall hier vor, erreichen Stammesdicken von über i'/, Fuß, bauen sich meist stumpf pyramidal auf. Aber merkwürdig ist es, dass nirgends ein wilder Apfelbaum gesehen wird. Erst in ca. 1200 m (4000 r. F.) stehen einige Rotbuchen, die, wenn man ostwärts auf die hohen Thalwände der tiefgeschnittenen Wasserläufe sieht, dort stattlichen Hochwald bilden. Man muss nämlich wissen, dass zur Kriegszeit mit Schamyl die Urwälder entlang dem Wege nach dem Stabsquartier Burtunai, wo wir uns heute befinden, total ausgehauen wurden, um den Feinden den Hinterhalt unmöglich zu machen. Die Wälder, durch welche wir eben reisen, haben demnach höchstens ein Alter von vierzig Jahren und gab es deshalb in ihnen in der Nähe des Weges keine Hochstämme. Am besten gedieh die Eiche darin, nach ihr Carpinus Betulus. Das Gebüsch setzt sich wesentlich aus Eichen, Carpinus duinensis, Mespilus und Crataegus zusammen; Evonymus latifolius und verrucosus kommen vereinzelt vor, ebenso Ligustrum vulgäre, Viburnum Opulus und Lantana. Die Rubus-Arten sind durch R. nemorosus und R. glandulosus vertreten, beide bleiben schwach.

Mit 600 m (2000 r. F.] Meereshöhe benarbt sich der Boden besser, man sieht beiderseits vom Wege gute Wiesen auf den geschonten Heuschlägen, Kleerasen und weiche Gräser treten auf, namentlich Phleum Böhmeri. Dazwischen Gymnadenia conopea, zarte Valerianellen, Galium, Geranium, ab und zu Echium rubrum und an den Wegrändern häufig Salvia verticillata, welche ich in den östlichen Tiefsteppen nicht sah. Die meisten der oben schon für die Paliurus-Maquis genannten Arten wird man bis zu 900 m (3000 r. F.) Meereshöhe wiederfinden. Einige von ihnen, samt Cynoglossum pictum und Medicago falcata werden Wegpflanzen und meiden den Wald. Galium verum bestimmt zur Blütezeit strichweise die Wiesenfarbe, es zeichnet bis in 15 20 m (5000 r. F.) große gelbe Flecken auf die Pläne. Dagegen siedelte sich am liebsten in den toten Dornhecken Galium Mollugo an, dessen lang ausgezogene, weiße Blütenrispen den trockenen Busch zieren. Aus ihm strebt auch Thalic-trum minus hervor, aber der zarte Lathyrus Nissolia kommt kaum zur Geltung. Im Allgemeinen sind diese Bergwiesen in der unteren Zone mager, namentlich da, wo auf kalkiger Unterlage nur geringes Erdreich haftet. An den besten Stellen, wenn sie etwas feucht sind, verleiht Trifolium tumens dem Heuschlag Wert, da gedeihen auch Arabis sagittata, Polygala major, Valerianella Morisonii und Pedicularis comosa. Das trockenere Gehänge ist im Rasen von Brunella alba, Echium rubrum, von Anthemis rigescens, Ulmaria Filipendula, Campanula glomerata durchsteppt. Leontodon hastilis ß hispidus trieb den einköpfigen Blütenschaft hervor und Hieracium Pilosella breitet die behaarten Ausläufer auf dem Boden aus. An den trockensten Stellen, die oft entblößt sind, sehen wir Scleranthus annuus, Alyssum calycinum, Campanula sibirica, Lepidium chalepense und Potentilla argentea.

[p.251:] Bei 1050 m (3500 r. F.) ist Rhododendron flavum, namentlich an den Gehängen häufig. Dasselbe befindet sich hier wohl schon nahe an der östlichen Grenze seines Vorkommens. Jetzt am 20. Mai schon verblüht, hängen die Bündel der aufgetrockneten Blumen schlaff abwärts, in 1400 m (4500 r. F.) blühen die Gebüsche noch in voller Pracht. Nirgends eine Spur vom echten Rhododendron. Bedeutend tiefer, schon in 1050 m (3500 r. F.), kommen die ersten Anfänge der subalpinen Vegetation ganz vereinzelt vor, so Linum hypericifolium, Centaurea montana, Myosotis silvatica und Betonica grandiflora; einzelne schwache Exemplare von Lilium monadelphum werden ebenfalls bemerkt. Die Waldränder weisen nur eine geringe Flora auf. Niedrig bleibt an ihnen Physalis Alkekengi, Vicia sepium rankt am Niederbusch, höher im Geäste verbreitet sich Solanum Dul-camara, im Halbschatten stehen Gruppen von Hesperis matronalis, von Senecio campestris, Sonchus arvensis, und wo schon mehr Dunkel waltfit, blüht Campanula latifolia.

Je höher man ansteigt, um so karger wird der Boden, Kalksteintrümmer, oft förmliches Schuttland, durchsetzen überall den magern Lehm, welcher nur miserable Ernten von Sommergetreide, namentlich Gerste, giebt, wo dagegen die Mais- und Bohnenkultur etwas günstiger ist. Schon mit dem Dorfe Dy-lyro, dem wir annäherungsweise die Höhe von 750 m (2500 r. F.) geben dürfen, hören die gedeihlichen Kulturen von Winterroggen und Weizen auf, auch sah ich höher den Wallnussbaum nicht mehr.

Zu diesen dürftigen Bodenverhältnissen, denen ein rauhes Klima mit oft schneereichen Wintern und starken O.- und NO.-Stürmen sich zugesellt, kommt noch ein Umstand, welcher der natürlichen Entwicklung der alpinen Flora äußerst schädlich ist, ich meine das schon öfters erwähnte Abweiden der Hochwiesen, welches im Daghestan ebenso betrieben wird wie in Karabagh. Auch die geschützten Heuschläge geben, selbst wenn sie bewässert wurden, nur wenig, aber sehr gutes Heu. Schon in 1520 m (5000 r. F.) Höhe treten in ihnen so viele untere alpine Arten auf, dass man sie trotz der niedrigen Lage zu dieser Zone rechnen darf und man dabei daran erinnert wird, dass im Daghestan trotz steigender Höhe der Schneelinie die Baumgrenze sowohl, wie der Gürtel der subalpinen Zone bedeutend heruntergedrückt werden. Im Chanakoi-tau liegt der Grund dafür nur in terrestrischen Verhältnissen, auf den kahlen, harten Kalkklippen kann überhaupt vom Baumwuchs keine Rede sein. Wo er sich an begünstigten Orten behauptet, wird durch häufige Kopfdürre auf die Unzulänglichkeit des Bodens mit felsigem Untergrund hingedeutet.

Um zum Hochwalde von Burtunai zu gelangen, folgt man aufwärts dem Kutur-Shar-Bache. An den entblößten, mergeligen Hochufern desselben, die, wo kahl, immer mit Tussilago- (Farfara) Blättern bedeckt waren, gab es hier und da mancherlei Gebüsch, vorwaltend auch hier noch Eichen, Azaleen, Weiden (S. cinerea), Mespilus melanocarpus, Sambucus nigra begann zu blühen, Corylus Avellana fehlte. Dazwischen einzelne armblütige (3—6 Blumen) Lilium monadelphum und Achillea biserrata in geschlossenen Gruppen. Auch Valeriana alliariifolia machte sich bemerkbar und Cephalaria tatarica in wuchernder Fülle.

[p.252:] Die Südseiten der entblößten Jähungen gaben als beste Beute die robuste, großblumige Campanula sarmatica. In allen solchen Einrissen, die gegen N. und NO. leidlich geschützt sind, wandert das Gebüsch weit aufwärts, der Hochstamm aber fehlt schon. Die Baumgrenze ist lokal deprimiert, ich kann sie im Mittel nur mit 152001 (5000 r. F.) notieren. Vereinzelte Vorposten, nämlich alte, niedrige Wildbirnen stehen noch in 1800 m (5900 r. F.) Höhe. Wie das Gebüsch sich in die Schluchten rettete, so auch der Hochwald in die breiteren Thäler, und zwar, entwickelt er sich am stärksten an den gegen W. gekehrten Thalwänden, also unter Wind. Am Rande der Buchenwälder, die in der That jungfräulichen Charakter haben, gab es eine recht üppige Stauden- und Grasflora. Vom Boden erhoben sich die elastischen Ruten von Rubus glandulosus, der jetzt blute, zusammenhängende Bestände von Epilobium angustifolium, zwar 4 Fuß hoch, aber noch nicht ganz entwickelt, E. montanum stand dagegen in voller Blüte. Auch hier in den Lichtungen zwischen Weiden- und Ebereschen-Gebüsch Aruncus. Zart heben sich ihre Gruppen vom dunklen Hintergrunde ab; davor leuchtende Geraniumblüten (G. pratense, G. sangui-neum), seitwärts Gebüsch von Viburnum Lantana, an ihm rankend Calystegia silvatica. Neben den grellgelben Blüten von Senecio brachychaetus die prunkenden blauen von Aquilegia olympica, oder die noch dunkleren von Galega orientalis. Das Alles sucht nach Sonne und geht nicht in den voll-schattenden Wald. Bevor wir ihn betreten, weilen wir einige Augenblicke im Stangenholze junger Espen, an denen das Laub zitternd spielt. Zwischen hohen Gräsern reift am Boden die Erdbeere, hoch schwingen sich die gebogenen Triebe von Gentiana asclepiadea, und an Inula glandulosa erschloss sich die große endständige, orangegelbe Blume, daneben Ranunculus cau-casicus und fast versteckt im hohen Carexgrase (C. pallescens) die hellblauen Kronen von Iris graminea. Noch ist unser Fuß frei, mit dem Nähertreten zum Buchenhochwalde haben wir etliches Jungholz, Lindengebüsch (T. intermedia), Acer platanoides, Carpinus Betulus zu durchschreiten, auch blühender Azalea-busch, von Lonicera Caprifolium durchrankt, steht da, ihm zu Füßen reiften die ersten Frühlingspflanzen die Samen, es waren Viola alba und Primula officinalis. Dann sieht man wieder stattliche Farngruppen (Nephrodium filix mas), deren Wedel reichlich 3 Fuß Höhe haben. Sie beschatten dürftigen Sauerklee (Oxalis Acetosella). Das Halbdunkel der alten Rotbuchenbestände empfängt uns nunmehr, die Bodenflora verarmt bei dem Mangel an Sonne. Schon lange verfaulten in der alten, braunen Laublage did Lathraea-Walzen. Salvia glutinosa, die dem Wald getreueste, erscheint sofort. An lichteren Stellen sieht man Polygonatum, Waldmeister und Pirola rotundifolia blühen, auch Sanicula europaea und Dentaria bulbifera lieben solche Plätze. An sumpfiger Einsenkung fühlt die Schwarzerle (Alnus glutinosa) sich heimisch, Heleocharis palustris und Carex hirta umranden die Pfütze. Der Wald ist dicht, überall mit Stangenholz gefüllt. Weiß- und Rotbuche bauten es auf, oft so enge, dass man nicht gehen kann. Vielfach liegt moderndes Dickholz am Boden. Im Moder wenig tierisches Leben, vergebens sucht man nach [p.253:] Carabus-Arten, welche in den Wäldern des westlichen Kaukasus so überreich in herrlichen, endemischen Arten vorhanden sind. Auch darin dokumentiert sich die Verarmung der Flora wie der Fauna gegen Osten. Die einzelnen Stämme der Rotbuche sind oft ungesund, nicht immer gerade gereckt, kaum über 2 Fuß im Durchmesser und 12 m (40 r. F.) Kronenhöhe, in dieser nicht selten abgetrocknet. Jene Riesen der Rotbuche, die an manchen Stellen des Großen Kaukasus sowohl im Meeresniveau, als auch bis hoch ins Gebirge, in Manneshöhe Stammesdicken von über i m erreichen, unmittelbar über dem auseinander treibenden Wurzelkopf doppelt so starken Durchmesser haben, fehlen hier ganz. Offenbar ist der kalkige Boden und der felsige Untergrund, auf welchem die Bäume wachsen, ihnen nicht zuträglich.

Die kryptogame Flora dieser Wälder anlangend, so lassen sich meine Beobachtungen folgendermaßen zusammenfassen. In dem Vollschatten hatten sich Aimlystegium serpens und Mnium cuspidatum an alten Stämmen angesiedelt, während am Boden Bryum pendulum große Kolonien baute und auf seinem helljfriinen, festen Rasen dicht gedrängt die glänzenden, zimmetbraunen Fruchtträger zollhoch standen und die unreifen, grünen Sporenbüchsen nickend trugen. Von Flechten hatte sich auf vermodertem Holz Peltigera polydactyla var. hymenina niedergelassen und an den Buchenstämmen wucherte Polyporus hirsutus. Auf den nackten Kalkfelsen außerhalb des Waldes in 1830 m (6000 r. F.) und darüber bildete fertiles Distichium capillaceum große Rasenflächen. An anderen Stellen gab es ein Gemisch von diesem Moose mit Mnium orthorhynchum und Plagiochila asplenioides. Aus reichlich 2500 m (8000 r. F.) brachten wir die Zwergpolster von Barbula tortuosa (unfruchtbar) mit. Cladonia pyxidata var. Pocillum besetzte in tieferen Lagen den nackten Kalkfelsen.

Die soeben gegebene Schilderung von den Wäldern des Daghestans entspricht dem Besten, was dieser Gebirgsgau darbietet. Man wird selbst in den berüchtigten Wäldern von Itschkerien (Wedensk) keine großen Abänderungen in dsr Zusammensetzung und in der Kraft des Wachstums finden. Ebenso verhielt es sich überall östlicher, wo ich Wälder sah, so auf dem Wege nach Gunib in cen Vorbergen südlich von Temirchan-schura, so auch bei dem Aufstiege in cen beiden Argunjthälern. Was wir weiterhin gegen S. an den Oberläufen der verschiedenen Koissu-Wasser, die sich zum S'ulak vereinigen, und im Quelllande des S'amur an Wald finden, ist, wie ich das schon früher bei dem allgemeinen Überblick erwähnte, gering, insular, meistens nur aus Kiefern und Birken zusammengesetzt. Erst weiter gegen SW. im äußersten Quellnetz des Awj.rischen Koissu, nehmen die Wälder an Umfang, Inhalt und Artenzahl zu vind erreichen zugleich an der Baumgrenze in der Vertikalen fast dieselbe Meereshöhe wie an der Südseite, nämlich fast 2440 m (8000 r. F.).

4. Die kauk. Wälder

III. Die Vegetation auf den waldlosen Kreidekalken Daghestans