[Radde, Grundzüge der Pflanzenverbreitung in den Kaukasusländern] Kapitel 1 Abs. IV.
Erstes Kapitel. Die Steppen der Kaukasusländer.
IV. Verschiedenartigkeit des Bodens im Steppengebiet.
Ursachen der Variationen S. 31. Die Schwarzerde, ihre Verbreitung und die Verschiedenheit ihres Humusgehaltes S. 31.
Ursachen der Variation. Steppen und Wüsten bilden sich auf dem europäisch-asiatischen Kontinent zwischen dem 40.° bis 56.° n. Breite im festen Naturtypus auf unabsehbare Strecken von W. nach 0. schon mit dem Meridian von 4445° Ferro beginnend, aus, und zwar mehr nach den wenig variablen Grundbedingungen der sie deckenden Atmosphäre, als nach ihren terrestrischen Grundlagen. Aber der wechselnde Charakter ihrer Vegetation, die freiwilligen Kombinationen der Pflanzenarten, die sich alle der Luft accommodieren mussten, und die dadurch bedingten botanischen Physiognomien der betreffenden Landesstrecken stehen in direkter Abhängigkeit vom Boden. Ist er im Stande die geringen Niederschläge zu halten, so nimmt die Vegetation den Steppentypus an. Das Minimum der Niederschläge auf durchlassendem Sande gebiert im schlimmsten Falle die vegetationslose Wüste. Die Gradationen von dieser zur elenden Hungersteppe auf steinigem Boden und die Übergänge dann zu den oft salzigen Lehmsteppen finden wir speziell in unserem Gebiete alle vertreten. Ebenso sind es, namentlich westwärts, die Varianten der schwarzerdigen Steppe in ihren verschiedenen oberflächlichen Bodendicken und den Prozentsätzen an Humus, so wie auch in den Übergängen zu den Lehmstrecken. Gerade diese östliche Hälfte der Steppenlande zwischen Kaspi und Pontus, welche durch die Stawropoler Höhen von der westlichen plastisch unmerklich geschieden wird, bietet reichlichere Gliederung der Vegetation, als das Kubangebiet. Der Grund dafür liegt in dem Einflusse, den schon in frühesten Zeiten das damals erweiterte Kaspibassin ausübte und welcher auch jetzt noch stattfindet. Es prävalieren, je mehr das Tiefland sich gegen Osten senkt, die salzigen Thone des einstigen Meeresbodens und schwerer, kalkiger Sand neuester Zeit. Es treten der ausgesüßte Lehm und löss und auch die Schwarzerde [1) Schwarzerde, Tschernosem der Russen schreibe ich da, wo die Entstehung derselben an Ort und Stelle auf trockenem Wege, ohne Beteiligung von Süß- und Salzwasser, nur unter dem Einflüsse der atmosphärischen Agentien statthatte und wo diese Erde seit ihrer Entstehung auf dem Platze blieb. In allen anderen Fällen trenne ich die Worte und schreibe schwarze Erde.] merklich zurück.
Die Schwarzerde, ihre Verbreitung und die Verschiedenheit ihres Humusgehaltes. Die Schwarzerde anlangend will ich etwas umständlichere Mitteilungen machen. Ein Blick auf die Karte, welche dem verdienstvollen Werke des Professors Dokutschajew über die schwarze Erde (russisch. 1883. St. Ptb.) beigegeben ist, belehrt uns in Bezug auf das kaukasische Steppengebiet an der Nordseite der Hauptkette darüber, dass hier nirgend diese Erde die hohen Prozentsätze (bis 16%) von Humus besitzt, wie es in den bevorzugten Gegenden von SW. gegen NO. in Süd- und Mittelrussland über die Wolga hinaus der Fall ist. Die Schwarzerde in Ciskaukasien deckt vornehmlich die plateauartigen Höhen, welche von Stawropol ausgehend sich gegen SO. bis zum Fuße der Hauptkette und weiter östlich beiderseits dem Flusslaufe der Sunsha entlang hindehnen. Die ganze nordöstliche Hälfte von [p. 32:] der Terek-Kuban-Wasserscheide ist in ihrer geologischen Bildung jünger (aralokaspisch) als die westliche (pontischer Horizont) und äußerst arm an Schwarzerde. Sie fehlt gänzlich am gesamten östlichen Manytsch, an der unteren Kuma und im Mündungslande des Terek. Dagegen tritt sie westlich schon vom unteren Don an gegen S. und SO. in zunehmender Güte auf, erreicht das Höhenquantum an Humus westlich oberhalb von Maikop, etwas nördlich von Stawropol und dehnt sich in dieser Qualität südostwärts über Pjatigorsk bis zum Fuße der Hauptkette bei Wladikawkas und über Grosny hinaus. Diese zentrale Zone der Schwarzerde besitzt einen mittleren Humusgehalt von 710%. Sie wird von einem breiten Bande umzogen, welches sich gegen N. stumpf keilförmig bis fast zum unteren Don erstreckt, westwärts bis zum unteren Kuban, ostwärts von Mosdok gegen S. gerichtet ist und einen mittleren Gehalt von 47% Humus aufweist. Diese Flächen umschließt endlich ein schmäleres Band in annähernd parallelen Konturen mit einem Humusgehalt von 24°. Dann folgt die Randzone mit ½ - 2°, von Anapa über Temrjuk und Jeisk entlang dem Ufer des Asow'schen Meeres zur Donmündung und von da über Nowotscherkask gegen SO. gewendet über die niedrigen Manytsch- und Kalaushöhen, immer breiter werdend, über den unteren Lauf der Kuma und des Terek bis zum Sulak sich erstreckend. Nordwärts aber dehnen sich diese humusarmen, sogar oft humuslosen Ebenen dem Kaspi und der unteren Wolga entlang bis fast Zarizin. Selbstverständlich sind die angegebenen Prozentsätze als Mittelwerte zu verstehen. Es kommen ebensowohl allmähliche Übergänge und Gradationen von einer Sorte Schwarzerde in die andere vor, wie auch lokale Unterbrechungen durch Sümpfe und Wäldchen, durch Flussläufe und Hügelboden, ja sogar durch Sand- und Salzstrecken.
Zwischen der unteren Wolga und dem Don ziehen die Jergenihöhen von N. nach S. die Grenze zwischen dem westlich von ihnen gelegenen besseren Humusboden, wiederum mit einer zentralen Kernfläche, welche 4 - 7% enthält, und der umgebenden humusarmen Schale mit 24%. Diese letztere findet am Ostgehänge der Jergenihöhen ihre Grenze und erreicht südwärts nirgends den östlichen Manytsch. Der Vollständigkeit wegen lasse ich nun die Analysen der Schwarzerde aus unserem Steppengebiete folgen, wie sie Professor Dokutschajew S. 277ff. seines Werkes giebt.
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Fig.1. Dies Kärtchen über die Verbreitung der Schwarzerde an der Nordseite des Kaukasus bot zugleich Gelegenheit, die Südgrenze der spontanen Laubwaldungen am Don, Donez und dem Unterlauf der Wolga einzutragen, wozu die Karte von Tanfiljew (Verteilung der Wälder in Südrussland, St. Petersburg 1894) als Unterlage diente. Die Nordgrenze der sich vom Kaukasus bis zur Kuma, Manytsch und zum Kuban erstreckenden Wälder ist auf der später folgenden Karte der Walddichtigkeit zu ersehen.
Wenn ich die transkaukasischen Gebiete, soweit meine persönlichen Anschauungen reichen, in Bezug auf die Schwarzerde erörtern soll, so muss ich dabei an dem Prinzipe Ruprecht's festhalten, nach welchem die Schwarzerde nur als das Produkt trockener Verwitterung und Zersetzung (ohne beständige Mitwirkung von süßem oder salzigem Wasser) der oberflächlichen Vegetation [p.34:]
in langen Zeiträumen auf ungestörtem Boden betrachtet werden darf. Im Gebirge, zumal in einem mit einst so eminenten vulkanischen Zentren sind solche ungestörte Strecken natürlich nicht häufig, und so fand denn auch Professor Dokutschajew bei seinen Exkursionen im Daghestan und im zentralen Kaukusus keine normal lagernde Schwarzerde (S. 281). Anders verhält es sich in dieser Hinsicht mit den Kesselthälern, mit den sanfteren, oft quellenreichen Gehängen in der subalpinen Zone, mit den erweiterten Terassenstufen in verschiedenen Höhenlagen, die sich hier und da in den Waldgebieten befinden, und mit den flachen Quellländern einiger Flüsse auf dem armenischen Hochlande, z. B. der Kura auf der Hochebene von Ardagan und des Euphrat auf der Erserumebene. Da giebt es schwarze Erde, aber an ihrer Bildung beteiligte sich wesentlich, oft ausschließlich das süße Wasser und zwar das des Bodens. Wir haben es in solchen Fällen also nicht mit normal gebildeter Schwarzerde, die am Orte ihrer Entstehung blieb, zu thun, sondern mit den Übergängen von mehr oder weniger mächtiger Rasenerde bis zur verfehlten Torfbildung (Sphagnum fehlte). Auch auf den trockenen Rückenflächen der Daghestanischen Vorketten, in Höhen von 1500 - 1800m bildet sich der Typus subalpiner Vegetation in abgeschwächter Form aus, und wir sehen dunkle Rasenerde von geringer Mächtigkeit unter der Vegetationsnarbe auf gelbem Lehm oder grauem Mergelthon lagern.
Endlich sei noch erwähnt, dass auf dem armenischen Hochland, wo doch überall der Vulkanismus jüngerer Zeit so energisch durchgriff, auf weite Strecken hin, z. B. entlang dem Südufer des Goktschaisees und im Daralagös-gau, namentlich auch westwärts in der Randzone, wo eine Anzahl von Seen gelegen, so auch im Lande der Duchoboren, in den Höhen von 18002750 m mächtige schwarze Erde lagert. Es scheint aber, dass sich an der Grundlage dieser Bildungen, außer dem Wasser jener Bassins und entfernter von ihnen, vielleicht verwitterte vulkanische Produkte, vor allem Asche, beteiligt haben mögen, denn mehr oder weniger sind solche Gebiete mit vulkanischem Trümmergestein (Obsidian, Laven) bewerten, sie entsprechen demnach nicht den normalen Bildungen der Schwarzerde (Tschernosem).